27.04.2023

Gastvorlesung auf Gran Canaria: Logistikdrehkreuz mit Wachstumspotenzial

Prof. Dr. Gerald Oeser vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bielefeld hat an der Universidad del Atlántico Medio eine Gastvorlesung über Supply-Chain-Management und Risk-Pooling gehalten – weitere Kooperationen zwischen HSBI und Insel-Uni sind angedacht.

Gran Canaria ist ein beliebtes Urlaubsziel. Weniger bekannt ist die wachsende Bedeutung der Ferieninsel für internationale Lieferketten, die auf Seefracht angewiesen sind. Das war einer der Gründe, warum die Universidad del Atlántico Medio in der Inselhauptstadt Las Palmas bereitwillig ihre Pforten öffnete für eine Gastvorlesung von Prof. Dr. Gerald Oeser, Logistikexperte vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bielefeld (HSBI). Oeser forscht und lehrt zu den Themen Supply-Chain-Management und Risk-Pooling. Hierbei geht es um die Robustheit und Effizienz der internationalen Lieferketten, die zuletzt durch Coronakrise, Kapazitätsengpässe in den großen Häfen und allgemeine Teuerung an Zuverlässigkeit eingebüßt hatten. Was ist überhaupt Supply-Chain-Management? Warum sind die Lieferketten zuletzt immer unsicherer geworden? Und wie kann mit diesen Unsicherheiten umgegangen werden? Das waren die Ausgangsfragen der Gastvorlesung von Prof. Oeser.

Risk-Pooling bündelt Nachfrage- und Lieferzeitschwankungen, um sie zu reduzieren

Gruppenfoto
Prof. Oeser gemeinsam mit Valentina Perroni und Federica Zane vom International Office der Universidad del Atlántico Medio. Perroni ist auch als Englischdozentin an der Uni tätig.

„Lange Zeit sollten die Lieferketten immer leaner werden“, erläutert Oeser. „Nach den schlechten Erfahrungen der Pandemiezeit wird nun eher auf Resilienz und Risikomanagement gesetzt.“ Hier kommt das Risk-Pooling ins Spiel – ein Verfahren, das ursprünglich aus dem Versicherungs- und Finanzwesen kommt. In der Logistikwelt bedeutet Risk-Pooling, dass Nachfrage- und/oder Lieferzeitschwankungen gebündelt werden, um die durch sie gebildete Gesamtschwankung und die damit verbundene Unsicherheit zu senken. Dadurch können Lager- und Fehlbestände reduziert werden. Das bedeutet, dass die Warenverfügbarkeit bei gegebenem Lagerbestand erhöht oder der Lagerbestand bei gleichbleibendem Servicegrad gesenkt werden kann oder eine Kombination aus beidem. Es können also Kosten gesenkt, mehr Kunden befriedigt und der wirtschaftliche Erfolg einer Lieferkette verbessert werden.

Diese Zusammenhänge erklärte der Professor aus Bielefeld den zuhörenden Studierenden der Universidad del Atlántico Medio, die vor Ort waren oder sich online zuschalten konnten. Die Studierenden konnten außerdem „mitnehmen“, dass die internationalen Lieferkettenprobleme den Hafen von Las Palmas zunehmend interessant machen für Supply-Chain-Manager auf der Suche nach Lösungen. „Gran Canaria hat eine ganze Reihe strategischer Vorteile“, berichtet Prof. Oeser. „Die Insel liegt an der Atlantikroute, bietet politische Stabilität und kontinuierliche Betriebsbereitschaft. Die Kanaren sind zudem eine Freihandelszone und Sonderzone innerhalb der EU mit geringeren Steuern. Der zwischenstaatliche Handel Westafrikas läuft zu einem großen Teil über Las Palmas. Auch wächst die Kaufkraft der afrikanischen Mittelschicht kontinuierlich, ebenso die Exporte von Brasilien und Argentinien nach Afrika. Hier kann Las Palmas seine strategischen Stärken ausspielen und künftig überproportional vom Wachstum profitieren – zumal sich der Hafen bereits als zweitgrößter spanischer Hafen für Bunkerung und Schiffsbevorratung und als Logistikdrehkreuz von Rotem Kreuz, Rotem Halbmond und UN-Ernährungsprogramm etabliert hat.“

Hafen Las Palmas immer wichtiger für Afrika- und Lateinamerikaverkehre

Bereits heute schlägt sich das in Zahlen nieder: Puerto de la Luz, so der Name des Hafens von Gran Canarias Hauptort Las Palmas, ist mittlerweile der viertgrößte spanische Hafen und auf Platz 5 der Häfen mit stärkstem Wachstum in der EU von 2019 bis 2021 und zweitwichtigster spanischer Kreuzfahrthafen. Weltweit gibt es Linienverkehr zu mehr als 150 Häfen, auch zu vielen in Westafrika von Marokko bis Angola. Gute Voraussetzungen also für Absolventinnen und Absolventen der Universidad del Atlántico Medio, hier eine berufliche Zukunft zu finden und ihre bei Prof. Oeser geschärfte Logistikexpertise einzubringen.

Insgesamt studieren zurzeit 3722 an der Hochschule in Las Palmas, die meisten allerdings online. Neben Wirtschaftswissenschaften werden Psychologie und Kommunikationswissenschaften gelehrt. Die HSBI wird über Prof. Oeser und ihr International Office im Kontakt mit der Kanaren-Uni bleiben, um Möglichkeiten der Kooperation auszuloten.

 

Für weiteres Bildmaterial können Sie sich gerne an presse@hsbi.de wenden.