Diversity: „Die HSBI ist punktuell schon Vorreiterin“
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Gegen Diskriminierung, für mehr Toleranz und Offenheit: Die Hochschule Bielefeld (HSBI) hat bereits eine Vielzahl an Maßnahmen auf den Weg gebracht, um zu einer diversen Hochschule zu werden. Wo die HSBI in Sachen Diversität steht, erklärt die Diversity-Beauftragte Prof. Dr. Yüksel Ekinci im Interview.
Bielefeld (hsbi). Gemeinsam mit der Diversity-Kommission arbeitet Yüksel Ekinci an der Diversity-Strategie für die Hochschule Bielefeld. Im Interview stellt die Diversity-Beauftragte vor, welche Aufgaben und Herausforderungen dazugehören. Zudem berichtet sie über das laufende Auditierungsverfahren „Vielfalt gestalten“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
Frau Ekinci, Sie sind seit gut einem Jahr neben Ihrem Amt als Zentrale Gleichstellungsbeauftragte auch Beauftragte für Diversity. Welche Handlungsfelder gehören zu dieser Aufgabe?
Gemeinsam mit den Diversity-Beauftragten der Fachbereiche vertrete ich die Belange aller Hochschulangehörigen in Bezug auf die verschiedenen Diversitätsdimensionen wie Geschlecht, Nationalität, ethnische Herkunft, Weltanschauung, Einkommen, Religion, sexuelle Orientierung, Behinderung, Alter und Identität. Zudem bin ich Ansprechpartnerin zum Thema Antidiskriminierung.
Gibt es Beispiele, wie sich Diversity an der HSBI ganz konkret im Hochschulalltag oder im Studium bemerkbar macht? Oder anders gefragt: Was wurde schon konkret umgesetzt, was es vor zehn Jahren noch nicht gab?
Beispielsweise gab es vor zehn Jahren die Antidiskriminierungsrichtlinie noch nicht, die wir im September 2022 an unserer Hochschule auf den Weg gebracht haben. Die Richtlinie ist wichtige Grundlage für unsere Diversity-Strategie, die wir zurzeit erarbeiten. Sie beinhaltet zum einen eine klare Positionierung der HSBI zu einer angestrebten diskriminierungsfreien Zusammenarbeit aller Hochschulangehörigen. Zum anderen definiert sie auf Basis der aktuell gültigen gesetzlichen Grundlage – das ist vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – klare Schritte in einem Prozess der Beschwerdeführung, also ein geregelter Anwendungsbereich, klare Zuständigkeiten, eine Prozessbeschreibung und genau definierte Maßnahmen. Ziel der Richtlinie ist es, jede Form der Diskriminierung zu verhindern oder zu beseitigen und zu ermöglichen, sich bei erlebter Diskriminierung an eine zuständige Person wenden zu können. Beschäftigte, die Diskriminierung erleben, können sich unter anderem an mich wenden, an die dezentralen Gleichstellungbeauftragten, aber ebenso an den Personalrat. Studierende können sich ebenfalls bei mir melden, die psychosoziale Beratung der Zentralen Studienberatung aufsuchen, oder ihre*n Dekan*in oder Prodekan*in, den AStA oder das International Office kontaktieren. Es gibt zudem die Möglichkeit, anonym online Kontakt aufzunehmen über ein Kontaktformular auf der Seite der Gleichstellungsbeauftragten.
Bevor die Antidiskriminierungsrichtlinie ausgearbeitet und in Kraft gesetzt wurde, bezog man sich zum fairen Umgang am Arbeits- und Studienort auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das jedoch nur Beschäftigte schützt und nicht die Studierenden: Denn nach dem AGG sind Arbeitgeber verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung der Beschäftigten zu treffen, was aber eben nicht für Studierende gilt. Mit der Antidiskriminierungsrichtlinie sind jetzt sowohl die Studierenden als auch die Mitarbeitenden und die Lehrenden berücksichtigt. Die Hochschule hat außerdem schon seit mehreren Jahren zahlreiche Initiativen und Aktivitäten entwickelt, die auf die Optimierung der Studienbedingungen und die Durchlässigkeit der Bildungswege für alle Studierenden(-gruppen) ausgerichtet waren.
In welchen Diversity-Handlungsfeldern würden Sie die HSBI als Vorreiterin bezeichnen und wo ist noch „Luft nach oben“?
Als Vorreiterin können wir uns bezeichnen, weil sich jetzt Studierende, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, ebenso wie andere Hochschulangehörige gemäß der Antidiskriminierungsrichtlinie an die Beschwerdestelle unserer Hochschule wenden können. Zudem ist geplant, dass Studierende sich qualifizieren können, um andere Studierende, die diskriminiert worden sind, zu begleiten. Dies ist meines Wissens bislang einmalig an Hochschulen in Deutschland. Vorreiterin sind wir auch in einer anderen Sache: So hat die HSBI bereits einen Leitfaden entwickelt für den Umgang mit Personen, die ihren Namen oder ihre Geschlechtsidentität ändern möchten. Das Präsidium hat beschlossen, dass Namen und Geschlecht von Studierenden und Beschäftigten bereits aufgrund glaubhafter Darlegung an der Hochschule geändert werden können. Im Leitfaden ist genau erläutert, wie eine Anrede aller Personen, einschließlich insbesondere diversen Geschlechts, aussehen kann. Bis auf Abschlusszeugnisse und Arbeitszeugnisse können die Personen bereits mit ihrem gewählten Namen beziehungsweise Geschlecht geführt werden, ohne dass eine Änderung rechtswirksam ist. Sie müssen allerdings damit rechnen, dass der Studierendenausweis extern nicht akzeptiert wird, wenn dieser nicht mit dem amtlichen Namen übereinstimmt. Gleiches gilt für Beschäftigte, die ihren Namen oder Geschlecht ändern möchten. Sie können einen Antrag auf Änderung ihres Vornamens beziehungsweise des Geschlechtseintrags stellen.
Luft nach oben wäre, endlich auch Diversity-Tage an der Hochschule zu etablieren, um dem Thema noch mehr Präsenz zu schenken. Aber zuerst muss eine Diversity-Strategie entwickelt und konkretisiert werden, damit man entsprechende Vorbereitungen treffen kann. Damit haben wir, wie erwähnt, begonnen.
Was sollten alle Beschäftigten der Hochschule noch über Diversity an der HSBI wissen?
2022 haben wir uns als Hochschule für die Teilnahme am Auditierungsverfahren „Vielfalt gestalten“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft beworben und nehmen nun daran teil. Der interne Auditierungsprozess dient der Weiterentwicklung und Implementierung einer hochschulspezifischen Diversitätsstrategie. Hier wird in Begleitung einer Auditorin vom Stifterverband in Workshops gemeinsam mit der Diversity-Kommission, in der auch Studierende mitarbeiten, und Präsidiumsmitgliedern eine Diversity-Strategie für unsere Hochschule entwickelt. Es werden konkrete Ziele und Maßnahmen formuliert und gestartet. Um der Realisierung näher zu kommen, soll die Sichtbarkeit von Diversity erhöht werden. Hierzu sollen unter anderem auch hochschulöffentliche Diskurse zu Diversity-Themen stattfinden. Der Auditierungsprozess wird noch zwei Jahre dauern. Wenn wir diesen mit Erfolg abschließen, wird der Stifterverband unserer Hochschule das Zertifikat „Vielfalt gestalten“ verleihen, und wir werden uns als Hochschule noch mehr mit dem Thema Vielfalt auseinandersetzen.
Frau Prof. Ekinci, vielen Dank für das Interview!
(Interview: Verena Kukuk)
Weitere Informationen
Dr. Yüksel Ekinci ist seit 2012 Professorin für Erziehung und Bildung im Kindesalter – Bildungsbereich Sprache am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Bielefeld. Seit 2021 ist sie Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der HSBI, seit 2022 auch Diversity-Beauftragte. In dieser Funktion steht sie der Diversity-Kommission vor, die sich aus den Diversity-Beauftragten der Fachbereiche sowie Vertreter*innen der Beschäftigten und der Studierendenschaft zusammensetzt.