20.03.2025

Weder geschüttelt noch gerührt: HSBI-Studierende optimieren Cocktailautomat – „Caipi“ als Mechatronik-Aufgabe am Campus Gütersloh

Gruppenaufnahme vor dem Cocktailautomaten
Beim After Work-Treffen in der Innovationsmanufaktur (IMA) in Gütersloh präsentierten (v.l.) Elias Löbbert, Merlin Scholz, Prof Dr. Thomas Freund und Tristan Lubitz den weiterentwickelten Cocktailautomaten erstmals der Öffentlichkeit. © P.Pollmeier / HSBI
Studierende des praxisintegrierten Studiengangs Mechatronik/Automatisierung am Campus Gütersloh der HSBI haben in einem Praxisprojekt einen Cocktailautomaten weiterentwickelt: Das Gerät kann Caipirinha mixen, inklusive Limettenpresse und Crushed Ice-Produktion. Der intuitiv bedienbare Automat erfüllt zudem die Anforderungen an den Industriestandard in Sachen Lebensmittelhygiene und Sicherheit.

Gütersloh (hsbi). Wie von Geisterhand bewegt sich ein Cocktail-Glas in Richtung eines mit Limetten gefüllten Elektrozylinders. Grün, pink, orange – die dahinterliegende Lichtschiene wechselt die Farbe und sorgt für echte Bar-Atmosphäre. Eine in Stücke zerkleinerte Limette fällt ins Glas, das zur nächsten Station fährt, Rohrzucker wird eingefüllt, ein Edelstahlstampfer zerdrückt die Frucht für die perfekte Menge Limettensaft. Beim nächsten Modul werden Eiswürfel zerkleinert. Durch ein Röhrchen erhält das brasilianische Kultgetränk an der nächsten Station seine wichtigste Zutat: den Zuckerrohr-Schnaps Cachaça. Fertig ist der Caipirinha. Der von fünf Studierenden des praxisintegrierten Studiengangs Mechatronik/Automatisierung der Hochschule Bielefeld (HSBI) am Campus Gütersloh weiterentwickelte Cocktailautomat ist der unbestrittene Star des After Work-Treffens in der Innovationsmanufaktur (IMA) in Gütersloh. Fasziniert beobachten die Gäste, wie die Maschine Cocktails mixt – mit oder ohne Alkohol. „Fünf Cocktails stehen zur Auswahl – in der Maschine sind jedoch Rezepte für 24 Mixgetränke hinterlegt“, erklärt Merlin Scholz, der mit seinen Kommilitonen Elias Löbbert und Tristan Lubitz erstmals den Cocktailautomaten der Öffentlichkeit präsentiert. Einfach per Touchscreen das gewünschte Getränk auswählen und schon geht es los.

© Timon Oelker / HSBI

Cocktailautomat erfolgreich optimiert

Prof. Freund erklärt Gästen der Innovationsmanufaktur die Cocktailmaschine
Dr. Thomas Freund, Professor für Lehrgebiet Elektrotechnik und Automatisierung am Campus Gütersloh, hat die Studierenden betreut.

Der Cocktailautomat ist das Ergebnis eines Praxisprojekts im sechsten und siebten Semester des praxisintegrierten Bachelorstudiengangs Mechatronik/Automatisierung am Campus Gütersloh. Es gab bereits Vorgängerversionen, die nun von den Studierenden erfolgreich optimiert wurden. „Das Vorgängermodell hatte ein großes Manko: Damit konnte kein Caipirinha gemixt werden“, erklärt Prof. Dr. Thomas Freund, der das Projekt betreute, augenzwinkernd. Was banal klingt, war in der Praxis eine Herausforderung für die Studierenden. Denn das automatisierte Zerteilen und Stampfen einer Limette erfordert mechatronisches Know-how und Kreativität. Die Lösung: Zum Zerschneiden wird die Limette mithilfe eines Elektrozylinders horizontal durch ein Messer gedrückt. Die Dosierung des Rohrzuckers – pro Cocktail drei Gramm – erfolgt über einen Schneckenförderer, der über einen Schrittmotor angetrieben wird. Zucker und Limette werden im Glas mit einem lebensmittelgeeigneten Metallstößel gestampft. Hier ist der ausgeübte Druck entscheidend: Ist er zu gering, wird dem Getränk zu wenig Limettensaft hinzugefügt. Ist der Druck zu groß, zerfasert die Limette. „Die Studierenden haben für diese Problemstellung die perfekte Lösung gefunden“, findet Thomas Freund.

Nah am Industriestandard

Die Hälfte der Projektzeit verbrachte das Team „Cocktailautomat V4.1“ mit theoretischen Planungen. Dazu gehörte unter anderem ein Kostenplan und die Überlegungen, welche Firmen für ein mögliches Sponsoring in Frage kämen. „Ohne die Unterstützung der Betriebe hätten wir das Projekt nicht umsetzen können“, sagt Merlin Scholz. „Und die Unternehmen helfen wirklich gern. Nicht selten stellen sie ihre Produktneuheiten zur Verfügung, damit unsere Studierenden damit experimentieren können“, ergänzt Prof. Freund. Dass der Cocktailautomat ganz nah an industriellen Standards angelehnt ist, lässt sich nicht zuletzt an dem unübersehbaren Not-Aus-Knopf ablesen, der für einen sofortigen Stillstand des Automaten sorgt, wie es bei Maschinen im industriellen Produktionsprozess zwingend vorgeschrieben ist, sowie an der CE-Kennzeichnung. Diese besagt, dass der Hersteller als Inverkehrbringer ausdrücklich erklärt, dass alle relevanten EU-Richtlinien bei dem Produkt eingehalten werden.

Akribische Dokumentation

Neben der Auflistung der Kosten – für den Cocktailautomaten sind knapp 4.000 Euro Materialkosten angefallen – erstellten die Gütersloher Studierenden unter anderem eine Risikoanalyse, beschäftigten sich eingehend mit Hygienevorschriften, schließlich fällt auch ein Cocktail in den Bereich Lebensmittel, und erarbeiteten eine 85 Seiten starke Betriebsanleitung sowie eine Dokumentation mit technischen Normen und Spezifikationen. In einem wöchentlichen Bericht legte das Team die Projektfortschritte dar. „Zu möglichen Risiken gehört zum Beispiel die Verletzungsgefahr durch das Messer, das die Limette zerteilt“, erklärt Merlin Scholz. Austausch und Reinigung sind in der Bedienungsanleitung aufgeführt. Apropos Messer: Auch hier recherchierten die Studierenden, welcher Hersteller geeignete Messer produziert. Dabei mussten, wie auch bei den anderen verbauten Materialien, Lieferfristen beachtet werden. Denn schließlich nahte der Abgabetermin für das Projekt. „Die Studierenden haben deutlich mehr Zeit investiert als eigentlich vorgesehen ist“, berichtet Thomas Freund anerkennend.

Menschen beim After-Work-Treffen in der Innovationsmanufaktur Gütersloh
Beim After Work-Treffen in der Innovationsmanufaktur (IMA) in Gütersloh kam die Cocktailmaschine gut an.

Mechatronik/Automatisierung: definitiv kein trockener Studiengang

Für die Weiterentwicklung und Optimierung des „Cocktailautomat V4.1“ gab es eine glatte 1,0. Und den Studierenden hat die Arbeit viel Spaß gemacht. „Da war auch viel Trial and Error dabei“, lacht Elias Löbbert. „So hatte der Elektrozylinder, den wir zum Stampfen der Limette verwenden, zu viel Kraft und zerstörte die Halterung. Diese Stellen haben wir verstärkt, dann hat es funktioniert.“ Und häufig war Improvisationstalent gefragt. „Herkömmliche Motoren sind beim Zerstoßen der Eiswürfel überfordert, deshalb haben wir einen Akkubohrer umfunktioniert, um gutes Crushed Ice zu bekommen. Insgesamt ist der Automat jetzt dynamischer als der Vorgänger und kann intuitiv bedient werden“, betont Merlin Scholz, der im Team für die Software zuständig ist. Auch für Tristan Lubitz stand der kreative Prozess im Fokus. „Es war faszinierend, wie wir Bauteile aus der industriellen Fertigung für unser Projekt nutzbar machen konnten. Ein wirklich cooles Projekt. So ist das Studium keinesfalls eine trockene Angelegenheit.“

Einsatzmöglichkeiten in der Praxis

Flaschen mit Getränkeschläuchen an der Cocktailmaschine
Etwa 20 Cocktails pro Stunde produziert der Automat. Im Dauerbetrieb sollte die Maschine in der Lage sein, über sechs Stunden fehlerfrei zu arbeiten.

Etwa 20 Cocktails pro Stunde produziert der Automat. Im Dauerbetrieb sollte die Maschine in der Lage sein, über sechs Stunden fehlerfrei zu arbeiten. Beim After Work-Treffen in der IMA, die sich in direkter Nachbarschaft zum Campus Gütersloh am Gleis 13 befindet, war die Maschine jedenfalls gut beschäftigt. „Das muss man einfach gesehen haben“, freut sich IMA-Geschäftsführer Jörg Rodehutskors über die gelungene Premiere des Automaten. „Das ist auch eine Wertschätzung für die Arbeit der Studierenden und es wäre schade, wenn die tollen Entwicklungen in der sprichwörtlichen Schublade verschwinden würden.“ Praktische Einsatzmöglichkeiten in der Gastronomie und Hotellerie sind auch angesichts des Arbeitskräftemangels in dieser Branche denkbar. Eine Anfrage für den Cocktailautomaten von den Veranstaltern eines Stadtfestes in Gütersloh liegt bereits vor.

Praxisnahe Projekte zeigen Möglichkeiten für die „echte Arbeitswelt“

Die Projekte aus dem praxisintegrierten Studiengang Mechatronik/Automatisierung haben auch in den Vorjahren schon zu spannenden Ergebnissen geführt. So wurde beispielsweise eine Maschine entwickelt, die den Zauberwürfel löst, ein Currywurst-Automat und ein smarter Spiegel entwickelt. All diese Projekte zeigen anschaulich und praxisnah, wie vielfältig Automatisierungstechnik ist. Damit können auch Schüler:innen auf Veranstaltungen oder Messen für das Studium begeistert werden. Spätestens beim Tag der offenen Tür an der HSBI am 24. Mai 2025 in Bielefeld wird der Cocktailautomat wieder zum Einsatz kommen. (ebi)

Die Cocktailmaschine
Zum Projekt gehörte auch, eine umfangreiche Betriebsanleitung sowie eine Dokumentation mit technischen Normen und Spezifikationen für den Cocktailautomaten zu erstellen.
Was sind mechatronische Systeme?

Mechatronische Systeme kombinieren Mechanik, Elektronik und Informatik, um intelligente und effiziente Lösungen zu schaffen. Dadurch eröffnen sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten in Industrie und Alltag. Die wichtigsten Komponenten eines mechatronischen Systems sind Sensoren, Aktoren und Steuerungseinheiten. Die Zusammenarbeit dieser Elemente ist entscheidend für die Funktionsweise des Gesamtsystems. Mechatronik zählt zu den wichtigsten Innovationstreibern.

Zum Projektteam Cocktailautomat V4.1 zählen: Daniel Riediger, Merlin Scholz, Marius Schätz, Tom Wiechert, Maximilian Zopp. Vom offiziellen Projektteam konnte an dem Abend in der IMA nur Merlin Scholz dabei sein, der von seinen Kommilitonen Elias Löbbert und Tristan Lubitz unterstützt wurde, die auch in der Projektphase immer mal wieder an der Optimierung der Cocktailmaschine mitgewirkt haben.

Bachelorstudiengang Mechatronik/Automatisierung (praxisintegriert)

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