19.10.2022

Von der Materialeigenschaft zum digitalen Zwilling

Der Bielefelder Tag der Materialforschung beschäftigte sich am 27. September mit den aktuellen Herausforderungen der Industrie im Kontext der Digitalisierung der Materialforschung. 

Zu der Veranstaltung „Von der Materialeigenschaft zum digitalen Zwilling“ hatte das Bielefelder Institut für Materialforschung (BIfAM) gemeinsam mit dem Centrum für interdisziplinäre Materialforschung und Technologieentwicklung (CiMT) eingeladen. Das BIfAM wurde 2013 als eines der ersten Forschungsinstitute der FH Bielefeld gegründet. Die wissenschaftlich-technischen Arbeiten im BIfAM umfassen Forschung und Entwicklung gleichermaßen, um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen mit innovativen Ansätzen zu begegnen. In interdisziplinären Arbeitsteams werden sowohl im BIfAM als auch im CiMT kreative Lösungen für materialwissenschaftliche Fragestellungen aus den verschiedensten Bereichen entwickelt. .  

Das Moderationsteam eröffnet den Tag
Bielefelder Tag der Materialforschung - Prof. Dr. Andreas Hütten (Universität Bielefeld), Prof. Dr. Sonja Schöning und BIfAM-Institutsleiter Prof. Dr. Christian Schröder (beide FH Bielefeld)

Rund 70 Interessierte aus Unternehmen und Hochschule nahmen teils in Präsenz und teils online an dem hybrid angebotenen Austausch teil. „Wir freuen uns auf eine kurzweilige und interessante Veranstaltung mit Ihnen und laden Sie im Anschluss gerne zu unseren Laborführungen an der Universität und bei uns in der Fachhochschule ein“, so die Begrüßungsworte von BIfAM-Institutsleiter Prof. Dr. Christian Schröder, bevor er das Wort an seine Co-Moderatoren Prof. Dr. Sonja Schöning (FH Bielefeld) und Prof. Dr. Andreas Hütten (Universität Bielefeld), beide leiten gemeinsam das CiMT, übergab. „Ich freue mich, dass wir diese Veranstaltung bereits seit 2019 auch im Namen des CiMT veranstalten dürfen. Damit bündeln wir die Materialforschungskompetenzen beider Hochschulen auf dem Campus Bielefeld. Wir laden sie herzlich ein unsere Arbeit aktiv mitzugestalten, sprechen Sie uns an“, so der Aufruf Schönings. 

Dr. Tilmann Hickel von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung machte mit seinem Fachvortrag zum „Workflow-Management in der modernen Materialforschung“ den Anfang. Neben der Rolle des Managements im Allgemeinen, zeigte Hickel konkrete Beispiele aus der computergestützten Materialsimulation.  Eine benutzerfreundliche und flexible Workflow-Umgebung sei entscheidend, um reproduzierbare Workflows erhalten zu können. Die Konzepte würden im Kontext der Digitalisierungsinitiativen NFDI-MatWerk sowie der Plattform MaterialDigital diskutiert. Dr. Basil Ell, Lehrender der Universität Bielefeld, schloss mit seinem Vortrag zur Wissensmodellierung und -generierung an. „Was kann die Informatik zur Digitalisierung der Materialforschung beitragen?“, lautete seine Einstiegsfrage. Ell referierte zu formal und distributional repräsentiertem Wissen, in dem seiner Auffassung nach auf Seiten der Informatik Forschungsbedarf bestünde, und das insbesondere bei der Entwicklung von neuronal-symbolischen Ansätzen im Bereich der Künstlichen Intelligenz.

Highlight des Kongresstages war die Verleihung des Nachwuchspreises. Ausgezeichnet wurde der Absolvent Yannic Stallmeier. Das Thema seiner Masterarbeit entstand im Rahmen der Promotion von FH- Mitarbeiter Sinan Kiremit. „Mein Ziel war die Entwicklung, Inbetriebnahme und Validierung einer neuartigen elektrochemischen Messzelle, welche die Durchführung von Korrosionsuntersuchungen ­– beispielsweise unter einem Lichtmikroskop – und somit eine in situ Beobachtung der Prüffläche ermöglicht. Darüber hinaus habe ich verschiedene nichtrostende Stähle bezüglich ihres Korrosionsverhaltens untersucht und die werkstoffspezifischen Messergebnisse mit Geschehnissen auf der Prüffläche korreliert“, erläutert Stallmeier dem Publikum. Der Nachwuchspreis wurde vom BIfAM mit 250 € dotiert. Betreut wurde die Masterarbeit von Prof. Thomas Kordisch, der gemeinsam mit Prof. Schröder die Urkunde an den Preisträger übergab. 

Vortragender Gian-Luca Anselmetti
Bielefelder Tag der Materialforschung - Gian-Luca Anselmetti, Mitarbeiter der Covestro AG und Doktorand an der Universität zu Köln

„Digitale Moleküle – Chemie auf einem Quantencomputer“, lautete der Vortragstitel von Gian-Luca Anselmetti, Mitarbeiter der Covestro AG und Doktorand an der Universität zu Köln. Anselmetti gab einen kleinen Einblick in das breite Feld der Quantencomputer: Neben der Fragestellung, ob eine breitere Masse bald einen solchen Rechner unter dem Schreibtisch haben wird, griff Anselmetti die Tatsache auf, warum ausgerechnet in der Chemie die ersten Anwendungen dieser neuen Generation an Computern angesiedelt wird. Die Zuhörerinnen und Zuhörer gewannen einen Eindruck davon, was heute schon möglich ist und worauf es in Zukunft ankommen wird. 

Den Abschluss der Vortragsreihe machte Dr. Irene Dumkow von der BSH Hausgeräte GmbH. Sie zeigte auf, inwiefern Hausgeräte und die Simulation von neuen Materialien zusammenpassen und gewährte den Gästen der Fachhochschule einen Blick hinter die Kulissen der Vorentwicklung bei Kühlgeräten. „Mir ist wichtig, deutlich zu machen, wie die Simulation von Materialien zu einer Verzahnung zwischen Forschung und Industrie beitragen kann. Gerade bei Themen, über die noch wenig bekannt ist, kann eine Simulation helfen, die weiteren Anforderungen auf dem Weg zur Serienreife frühzeitig zu prüfen. Damit können am Ende Geld und Ressourcen gespart werden, da weniger Prototypen gebaut werden müssen“, resümiert Dumkow. 

Bielefelder Tag der Materialforschung - Podiumsdiskussion
Bielefelder Tag der Materialforschung - Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Christian Schröder, Dr. Irene Dumkow, Gian-Luca Anselmetti, Dr. Basil Ell, Prof. Dr. Sonja Schöning und Prof. Dr. Andreas Hütten

 Bevor es zu der Präsentation von ThinkTankOWL im Foyer des Konferenzbereiches und anschließend zu den Laborbesichtigungen ging, war es den Veranstaltern wichtig, die unterschiedlichen Impulse des Tages noch einmal in einer Podiumsdiskussion zusammenzuführen und konkrete Handlungsfelder für die Zukunft zu formulieren. „Wie wir heute gesehen haben, ist es das Beste, wenn man Herausforderungen gerade im wissenschaftlichen Bereich gemeinsam angeht. Dafür stehen wir – das CiMT und das BIfAM – daher nochmals das Angebot: Sprechen Sie uns an, damit wir anfallende Herausforderungen gemeinsam meistern“, findet Prof. Hütten die Abschlussworte, die im Plenum auf große Zustimmung stoßen. (th)