Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – Workshop stärkt Vernetzung und Abstimmung im Großprojekt MONOCAB
In einem großen Forschungsprojekt wie MONOCAB, bei dem zahlreiche Arbeitsgruppen Hand in Hand arbeiten müssen, ist eine reibungslose Abstimmung und Vernetzung entscheidend. Denn nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann aus vielen Teilprojekten ein erfolgreiches Gesamtprojekt entstehen. Unter diesem Motto trafen sich die Arbeitsgruppen der verschiedenen Teilprojekte vergangene Woche zum MONOCAB-Tag an der Hochschule Bielefeld. Ziel war es, nicht nur den Überblick zu wahren, sondern auch „Die Gesichter hinter den einzelnen Gewerken kennenzulernen, um die Zusammenarbeit untereinander zu stärken“, erklärt Gesamtprojektleiter Prof. Dr.-Ing. Thomas Schulte von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
Wofür steht MONOCAB?
MONOCAB liefert die Antwort auf die Frage, wie der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum flexibler und individueller gestaltet werden kann. Grundidee des MONOCAB-Fahrzeugkonzepts ist die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken für kompakte fahrerlose Schienenfahrzeuge. Der Clou: Die Kabinen mit Platz für vier bis sechs Passagiere sind so konzipiert, dass sie nur auf einer Schiene fahren. Durch ihre schmale Bauform ist so auf einem Gleis Verkehr in beide Fahrtrichtungen möglich. Die batteriebetriebenen Kabinen können bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h bis zu vier Stunden fahren, bevor sie erneut aufgeladen werden müssen.
Starker Forschungsverbund
Das von Bund und EU geförderte Forschungsprojekt wird von einem Netzwerk von Wissenschaftler:innen verschiedener Fachrichtungen entwickelt. Neben der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) sind das Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo, die Hochschule Bielefeld (HSBI), die Remmert GmbH, die Kommunale Verkehrsgesellschaft Lippe (KVG) und die HIMA Paul Hildebrandt GmbH beteiligt. Die Hochschule Bielefeld übernimmt im Projekt die Entwicklung des Fahrwerks für die MONOCABs. Dies umfasst die Konzeption eines Fahrwerks, das sowohl die Fahrsicherheit garantiert als auch einen optimalen Fahrkomfort gewährleistet. Federführend ist dabei das Institut für Systemdynamik und Mechatronik (ISyM) eingebunden.
Professor Dr.-Ing. Rolf Naumann, Leiter der Arbeitsgruppe Fahrwerk sowie Dekan des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik der HSBI, begrüßte die Gäste auf dem Campus Bielefeld und stimmte sogleich auf die Bedeutung des MONOCAB-Tags ein: „Heute geht es nicht ums Präsentieren, sondern um den Entwicklungsstand und die inhaltliche Abstimmung untereinander. Es ist wichtig, dass wir frühzeitig alle Baugruppen zusammenbringen, damit die komplette Fahrzeugentwicklung möglichst reibungslos funktionieren kann.“
Fahrwerk: Stabilität und Weichendurchfahrt im Fokus
Richard Petkau, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HSBI, stellte den aktuellen Stand der Fahrwerksentwicklung vor. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich Schwingungen in Abhängigkeit von Anzahl und Breite der Räder auf das Fahrverhalten auswirken. Mithilfe von Simulationen wurden Fehler identifiziert und Verbesserungen angestoßen. Besonders die Weichendurchfahrt stelle noch eine Herausforderung dar. An einer Lösung die bestehende Infrastruktur effizient zu nutzen werde noch gearbeitet. „Lassen Sie uns in den Arbeitsgruppen alle Möglichkeiten und vor allem eventuelle Schwierigkeiten diskutieren“, appellierte Naumann an die Teilnehmer. Eine finale Entscheidung zum Fahrwerkskonzept soll bis Mai fallen, wobei die Fahrsicherheit stets oberste Priorität habe.
Umsetzvorrichtung: Von einer Schiene auf die andere
Da die MONOCABs jeweils an einer Schiene aneinander vorbeifahren, müssen sie bei Bedarf umgesetzt werden können. Eine Wartungsgrube mit Hebevorrichtung, die die Kabinen anhebt und für eine Fahrt in die andere Richtung umsetzt, ist angedacht. Hierbei müssen mögliche Aufnahmepunkte an der Kabine identifiziert und mit der AG Kabine abgestimmt werden.
Designstrategie: Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit
Für das Designkonzept ausstehende Entscheidungen wie der Türmechanismus können noch Auswirkungen auf das Gesamtdesign haben. Die Sicherheit und Nutzer:innenakzeptanz steht dabei im Vordergrund, ebenso wie die Auswahl der Materialien, die im Falle eines Aufpralls bestmöglichen Schutz bieten sollen. Besondere Beachtung fanden Barrierefreiheit und Inklusion. Auch die psychologische Akzeptanz der Nutzerschnittstellen wird bedacht. Passagier:innen sollen Vertrauen in das System haben. Die Frage „Mit wem fahre ich?“ soll durch intuitive und vertrauenswürdige Gestaltung beantwortet werden.
Kabinenbau: Leichtbauweise und schnelle Umsetzung
„Ihr designt und wir müssen es bauen“, betonte Prof. Dr. -Ing. Herbert Funke von der HSBI die enge Verzahnung von Design und Bau mit einem Augenzwinkern. Design, Nutzungskonzept und technologische Anforderungen müssen zusammenpassen. Die Kabine wird in Leichtbauweise entwickelt. Das Ziel ist, schnell eine funktionierende Kabine zu bauen, um Erfahrungen zu sammeln und später Anpassungen am Material vorzunehmen.
Regelungstechnik und Schnittstellen: Automatisiertes Fahren im Fokus
Ein zentraler Bereich ist die Integration von Technologien für automatisiertes Fahren (ATO, Automatic Train Operation). Hier spielt das Projekt enableATO eine wichtige Rolle. Dazu gehören Funktionen wie Ein- und Aussteigen, Fahrzeugdiagnose und die Verbindung zur Leitstelle. Aber auch Sensoren im Innen- und Außenbereich, etwa zur Erkennung von Tieren auf der Strecke oder zur präzisen Lokalisierung des Fahrzeugs, spielen dabei eine zentrale Rolle.
Von der Idee zur wirtschaftlichen Umsetzung
Prof. Dr. Sebastian Vogt vom Technologietransfer- & Existenzgründungs-Center (TecUp) der Universität Paderborn betonte die Wichtigkeit, frühzeitig Überlegungen zur Finanzierung der nächsten Projektphasen anzustellen. Gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Benedikt Latos von der TH OWL, der für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Projekts verantwortlich ist, wurde diskutiert, wie das MONOCAB-System von der Idee zur marktfähigen Innovation weiterentwickelt werden kann. Thorsten Försterling, Ideengeber des MONOCAB und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing, moderierte die Diskussion und brachte zusätzliche Impulse ein.
Ein zentraler Aspekt war die Identifikation von strategischen Partnerschaften mit Industrie und Investoren, um ein belastbares Geschäftsmodell sowie eine langfristige Finanzierung sicherzustellen. Vogt hob zudem hervor, dass das Verständnis des Marktes essenziell sei, damit die Idee zu einer nachhaltigen Innovation werden kann. Nur wenn die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen, die Marktbedingungen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bekannt sind, lässt sich eine Lösung entwickeln, die sich sowohl wirtschaftlich bewährt als auch gesellschaftlichen Mehrwert schafft. Hierbei sollen insbesondere regionale Unternehmen und Institutionen eingebunden werden, um die Vorteile des MONOCAB-Systems greifbar zu machen und langfristig zur Entwicklung ländlicher Regionen beizutragen.
Der MONOCAB-Tag an der HSBI: Ein weiterer Schritt in Richtung erfolgreichen Projektabschluss
Fabian Kottmeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH OWL und Projektkoordinator, erklärt die Bedeutung einer strukturierten Planung: „Montage und Tests im Verbund benötigen Zeit. Der dafür noch verbleibende Zeitraum ist sportlich, weshalb wir Ende Januar 2026 alle Baugruppen zur Integration fertiggestellt haben müssen.“ Ab dann gehe es in der Montagehalle in Dörentrup weiter. Gesamtprojektleiter Schulte fasste die übergeordneten Ziele noch einmal zusammen: Bis Ende 2026 solle der wirtschaftliche Einsatz des MONOCABs möglich sein. Der nächste Meilenstein sei der Bau der zweiten Generation der Versuchsfahrzeuge – inklusive eines funktionierenden Weichensystems sowie wirtschaftlicher und betrieblicher Inhalte. „Es geht hier noch nicht um den Passagierbetrieb, sondern um einen sicheren technischen Betrieb“, so Schulte.
Der MONOCAB-Tag hat gezeigt, wie wichtig die enge Abstimmung zwischen den Arbeitsgruppen ist. „Keine Projektentscheidung darf die zeitgerechte Fertigstellung der Versuchsfahrzeuge gefährden“, sind sich alle einig. „Wir sind auf einem guten Weg zur Verkehrswende im ländlichen Raum“, schließt Naumann. (jrf/th)