Internationales Forschungs-Atelier: Batteriespeicher in Verteilnetzen
Welchen Beitrag können Batteriespeichersysteme für die Energiewende liefern und wie werden sie dafür optimal eingesetzt? Mit dieser Frage setzten sich Forschende und Vertreter:innen von Netzbetreibern aus OWL bei dem diesjährigen Forschungs-Atelier intensiv auseinander.
Das internationale Forschungs-Atelier der Arbeitsgruppe Netze und Energiesysteme (AGNES) aus dem Institut für Technische Energie-Systeme (ITES) findet bereits seit drei Jahren im Rahmen der Internationalen Woche an der Hochschule Bielefeld (HSBI) statt. Jedes Jahr mit interessierten Forschenden und Industrieunternehmen, national wie auch international. In diesem Jahr am 15. Mai stand der internationale Austausch ganz unter dem Thema: Batteriespeicher in Verteilnetzen. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit dem VDE organisiert.
Herausforderungen für zukünftige Verteilnetze Einführend in die Veranstaltung stellte Prof. Dr.-Ing. Jens Haubrock, Leiter der AGNES, die Relevanz für Forschungskooperationen zwischen Hochschulen und der Industrie, insbesondere den Netzbetreibern, heraus. Die Ziele der Klimavorgaben Deutschlands und der EU, wie beispielsweise den Anteil des Stromverbrauchs mit 80% aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, sorgen für eine steigende Komplexität im Netzbetrieb. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien schwankt wetterbedingt, gleichzeitig findet eine Elektrifizierung aller Sektoren statt, die einen steigenden Stromverbrauch mit sich bringt. Dabei sind ein Großteil der erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen so auch neue Lasten wie Elektrofahrzeug-Ladesäulen und Wärmepumpen im Verteilnetz angeschlossen. Diese Umstrukturierung sorgt für drohende Netzengpässe und macht eine genauere Betrachtung der Lastflüsse erforderlich. Prof. Haubrock stellt die Lösungen für diese Problematik vor: Netzausbau und Flexibilität durch beispielsweise Batteriespeicher im Verteilnetz. Der Netzausbau ist dabei kapital- und zeitintensiv. Die Nutzung von Flexibilitäten hingegen ist schneller und technisch einfacher zu realisieren und könnte parallel zum Netzausbau eine kurzfristigere Lösung zur Gewährleistung der Netzsicherheit und -stabilität sein. Prof. Haubrocks klares Fazit: die Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft ist essentiell bei der Bewältigung der Energiewende denn „Ingenieurinnen und Ingenieure, Technikerinnen und Techniker setzen die Energiewende um“ – und diese werden an Hochschulen qualifiziert.
Internationale Forschung: AI4DG
Konkrete Lösungen zur Nutzung von Flexibilitäten im Verteilnetzt werden im internationalen Forschungsprojekt AI4DG: KI-on-the-edge für eine sichere und autonome Verteilnetzsteuerung mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energienuntersucht. Ganz im Thema des Forschungs-Ateliers erforschen Forschende der HSBI und der Universitäten Grenoble und Bielefeld zusammen mit dem Netzbetreiber Westfalen Weser und dem Unternehmen Atos Worldgrid den netzdienlichen Einsatz von Batteriespeichern im Verteilnetz. Katrin Schulte, Doktorandin bei AGNES an der HSBI, stellt die Problematik dar: in einem Netzgebiet mit vielen Photovoltaik (PV) –Anlagen treten an sonnigen Tagen Rückspeisungen zwischen der Nieder- und der Mittelspannung auf, die akut Betriebsmittel überlasten können. Private Haushaltsbatteriespeicher sollen hier den Überlastungen entgegenwirken: basierend auf einer Vorhersage der Netzlast werden die Batteriespeicher so ent- und geladen, dass Rückspeisespitzen minimiert werden. In einem Feldtest bei realen Hausbesitzern wird diese Steuerung aktuell im Feld validiert.
Welches Potential netzdienlich betriebene Batteriespeicher bei der Energiewende haben, stellt Julius Dresselhaus dar, Werksstudent bei Westfalen Weser. Für ein zukünftiges Szenario, mit mehreren Batteriespeichern im Netzgebiet, kann der netzdienliche Einsatz der Batteriespeicher Überlastungen am Transformator reduzieren und Grenzstromverletzungen an den Zuleitungen sogar vermeiden. Hélène Schricke von der Firma Atos aus Frankreich ergänzt weitere Potentiale. Mit Batteriespeichern kann der Verbrauch der lokalen Produktion maximiert werden, indem bei lokalen Überlastungen erneuerbare Energieanlagen nicht runtergeregelt werden, sondern ihre Energie in Batteriespeichern aufgefangen wird. Beide ziehen das Fazit: Durch den Einsatz der Speicher kann ein bevorstehender Netzausbau kostenintensiver gestaltet werden und sogar zeitlich verschoben werden.
Zukünftige Forschungspotentiale Auch die Gesetzgebung hat im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Lösungsstrategien veröffentlicht. Als Antwort auf die Steigende Abregelung erneuerbarer Energieanlagen durch Netzengpässe beschreibt der §13k, Strommengen in zusätzlichen zuschaltbaren Lasten zu nutzen. Diese müssen in ihrer Fahrweise flexibel sein und zur Transformation zu einem treibhausgasneutralen, zuverlässigen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgungssystem beitragen. Als Reaktion auf lokale Überlastungen wird in §14a die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen festgesetzt.
Als steuerbare Verbrauchseinrichtungen gelten insbesondere Wärmepumpen, nicht öffentlich-zugängliche Ladepunkte für Elektromobile, Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen. Grundlage beider Gesetzgebungen ist die Netzzustandsermittlung bzw. –prognose. Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen bedarf noch an weiterer Kooperation zwischen Hochschulen und Industrie. Gerade deshalb gab es im Anschluss an die Vorträge ein entspanntes Get-Together mit allen Teilnehmenden, bei dem die Themen weiter diskutiert wurden.