„Die Bioökonomie umfasst die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen.“ [1] So lautet die Definition der Bundesregierung für Bioökonomie.
Die Bioökonomiestrategie der Bundesregierung aus 2020 stellt in diesem Kontext den Nutzen von biologischen Systemen im Klimaschutz und in der Kreislaufstrategie dar [1]. Die biologischen Ressourcen, die regenerierbar sind, sollen nicht regenerierbare Ressourcen ersetzen und damit zum Klimaschutz beitragen. In diesem Kontext gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Biomassenutzung. Dies wird auch in den weiteren Gesetzgebungen wie der Ökodesign-Verordnung der Europäischen Union [2] und der Normenentwicklungen wie die der ISO 59004, 59010 und 59020 unterstützt.
Diese Denkweise steht dem Konzept des Butterfly Diagramms der Ellen MacArthur Foundation entgegen. Denn dort werden der biologische Kreislauf und der technische Kreislauf getrennt voneinander betrachtet. Als Schlussfolgerung der aktuellen Erkenntnisse sollte der biologische Flügel mit dem wichtigen Konzept der Kaskadennutzung von Materialien in den technischen Flügel integriert werden. Die Bioökonomie verknüpft den technischen Kreislauf mit dem biologischen Kreislauf. Teile von technischen Produkten oder auch vollständige Produkte können aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden [3]. Dies ermöglicht eine Anwendung der Bioökonomie auf die R-Prinzipien (siehe unten).
Kaskadennutzung (Erhöhung der Effizienz)
Die Bedeutung der Kaskadennutzung von Produkten und ihren Teilen wird in der Literatur deutlich benannt (vgl. Grundprinzipien der Cicular Economy). Das Prinzip kann der Ressourceneffizienz (Prinzip: Narrow) zugeordnet werden. Die Lebensdauer des Materials (Prinzip: Slow) wird bei der Kaskadennutzung nicht auf dem gleichen Niveau verlängert, sondern auf materiell niedrigem Niveau. Dieses berücksichtigt auch die Ellen MacArthur Foundation im Butterfly Diagramm.
In der Studie des Umweltbundesamtes zum Thema Biomassekaskaden aus dem Jahr 2017 [4] (vor Corona, Borkenkäfer) wird die Theorie hinter der Kaskadennutzung dargestellt und in die Praxis übertragen. Einige Schlussfolgerungen sind aufgrund der Dürrejahre 2018 bis 2021 und des daraus folgenden Waldsterbens jedoch nicht mehr aktuell [5]. Sich regenerierende Rohstoffe haben einen limitierenden Faktor: die begrenzte Fläche, auf der die Biomasse angebaut werden kann. Zudem spricht die Fähigkeit der Biomasse, Kohlendioxid zu speichern, für eine lange Nutzungsphase und bestärkt den Kaskadengedanken.
Es werden unterschiedliche Dimensionen der Kaskadennutzung definiert, wobei eine Kaskade eine oder zwei weitere Nutzungen des Biomasseprodukts darstellt.
Vierdimensionales Modell, angelehnt an Wasserkaskaden (nach Sikrin und Ten Houten):
Nutzungsdauer
Ressourcenqualität
Verbrauchsmenge
Wiederverwertbarkeit (Bezugsgröße)
Dreidimensionales Model (nach Fraanje):
Sachgerechte Nutzung (Delta Q)
Verlängerung der Produktlebensdauer (Delta T)
Erhalt der Qualität (Minimierung von Delta Q)
Möglichkeiten der Biomassenutzung
Im Folgenden wird geklärt, welche Biomasse für das Prinzip der Bioökonomie zu Verfügung steht, wie der Einsatz sinnvollerweise gestaltet werden sollte und wie eine Kaskadennutzung realisiert werden kann. Grundlage für die folgenden Ausführungen sind eine Studie des Umweltbundesamtes zum Thema Biomassekaskaden aus dem Jahr 2017 [4], das Buch „Das System Biotechnologie“, in dem die Potenziale der verschiedenen Biomassen untersucht werden [6] und der Beitrag „Circular Bioeconomy“ des European Compost Networks [7].
Die Leitfrage ist: „Welche Biomassen stehen für die rohstoffliche Nutzung bzw. die 3 T´s Teller, Trog und Tank zu Verfügung?“
Das System der Bioökonomie kann aus Boden, Wasser und Sonnenlicht theoretisch unbegrenzt Biomasse aufbauen, die dann über verschiedene Verarbeitungsstufen zu Produkten verarbeitet werden. Aktuell werden pro Jahr weltweit 265 EJ (1018J) Biomasse geerntet. Hiervon werden 50 Prozent zur Fütterung von Vieh verwendet (Trog). Das entspricht 135 EJ/a, die dann sehr ineffizient nur zu fünf Prozent als tierisches Produkt auf den Teller gelangen. Außerdem kommen 87 EJ/a als Nahrungsmittel, Energieträger und Werkstoff bei den Menschen an (Tank). Der geringe Effizienzgrad deutet auf hohe Ineffizienzen (hierzu gehören Nahrungsgewohnheiten) und eine geringe Kreislauforientierung (Effektivität) hin.
Pflanzen
Die wichtigsten Märkte für die pflanzenbasierte Biomasse sind u. a. Ernährung und Energie. In der pflanzenbasierten Bioökonomie fungieren das Kompostieren und andere Möglichkeiten des Rottens von Biomasse als Recyclingmethode. Dieser Kreislauf ist das Vorbild für das Cradle to Cradle-Prinzip. Biomasse (Biomüll) dient über die Ertüchtigung der Böden als Ausgangspunkt für die Herstellung von Nahrungsmitteln, die Herstellung von Bioenergie und die Herstellung von biobasierten Produkten.
Im Rahmen der Industrialisierung wurde pflanzliche Biomasse durch Erdöl ersetzt. Das gilt z. B. für Energie, Farben, Textilien und Tenside. In Bioraffinerien sollen erdölbasierte Produkte wieder durch pflanzenbasierte Produkte ersetzt werden. Auch für die Herstellung von chemischen Ausgangsstoffen für Biokunststoffe sind Pflanzen nutzbar.
Die stoffliche Nutzung ist in diesem Kontext der energetischen überlegen. Bei dem Vorteil von biobasierten Kunststoffen gegenüber erdölbasierten Produkten kommt es auf den Impact des substituierten Stoffes an. Hier kann die Kette „stoffliche Nutzung mit anschließender energetischer Nutzung“ sinnvoll sein. Eine hochwertige Kaskadennutzung von Biokunststoffprodukten gibt es aufgrund des geringen Marktanteils aktuell nicht.
Holz
Holz ist die größte biobasierte Rohstoffquelle außerhalb des Lebensmittel- und Futterbereichs und kann in den Bereichen Bau, Möbel, Verpackungen, Papier und Karton eingesetzt werden. Die Nutzung geschieht im besten Fall kaskadenförmig in einem zunächst hochwertigen rohstofflichen Einsatz, um über weitere Qualitätsstufen energetisch genutzt zu werden. Beispiele für die Qualitätsstufen können hochwertige Möbelstücke und Baumaterialien sein. Holz wird in seine Komponenten zerlegt und auch als chemische Einzelkomponente und als Holzwerkstoff für verschiedene Anwendungen eingesetzt. Es existiert jedoch ein Konflikt zwischen der stofflichen Nutzung und dem Einsatz als Energieholz.
Es ist eine grundsätzliche Verschiebung der vorhergehenden stofflichen Nutzung vor der Nutzung als Energieholz vorzusehen. Bei dem Einsatz von Energieholz sind Industrieanwendungen gegenüber Hauswärme zu bevorzugen (Effizienz/Luftschadstoffe). Kaskadennutzung von Fasern aus Holz für Papier, Pappe und Karton ist ein bewährtes System. Außerdem bietet der recyclinggerechte Einsatz von Holz im Bausektor Potenzial.
Mikroorganismen
Mikroorganismen werden benötigt, um den biologischen Kreislauf zu schließen und aus pflanzlichen Materialien Energie und Industriepflanzen-Rohstoffe wie alkoholische Getränke, Futtermittelzusätze, Haushaltschemie, Pharmazeutika, Bioethanol, Biodiesel und Biogas herzustellen. Die Verfahren sind jedoch aufwändig und damit teuer. Mikroorganismen veredeln die Pflanzen zu für den Menschen nutzbaren Produkten. Außerdem ermöglichen sie die Verwendung von benutzten biologischen/bioabbaubaren Produkten zur Bodenverbesserung und somit die Rückführung in den Kreislauf.
Abfall und reststoffbasierte Bioökonomie
Wie in der Einleitung beschrieben entstehen bei der Nutzung von Biomasse Nebenströme und Reststoffe bzw. Abfälle in erheblichem Umfang. Diese können wieder Ausgangsstoffe für weitere Produkte, Energie und Bodenverbesserung sein. Allgemein ist die Nutzung von biogenen Abfällen/Reststoffen eine sinnvolle Kaskadennutzung. Hier gibt es viele Beispiele, wie Reststoffe sinnvoll in Produkten eingesetzt werden können: Lederersatz aus Obst, wie Äpfel und Ananas, oder die Stoffherstellung aus Rosen. Außerdem bilden die Landwirtschaft und Holzwirtschaft einen Nutzungsschwerpunkt. Es gibt jedoch viele Herausforderungen im Bereich Aufkommen, Sammlung und erste Aufbereitung der biogenen Materialien; Stichwort: dezentrales Aufkommen, Fremdstoffe und Nutzungskonkurrenz zwischen energetischer und stofflicher Nutzung von biogenen Abfällen (z. B. Schallplatten oder Diesel).
Anwendung der Bioökonomie auf die R-Prinzipien
Eigene Darstellung möglicher Kreisläufe in der Bioökonomie.
Die Bioökonomie setzt den Einsatz aus Biomasse bzw. biologisch abbaubarer Materialien voraus und ist eine Möglichkeit, kurzlebige Produkte über den biologischen Kreislauf zirkulär zu machen (products that flow). Komponenten des Produkts oder das gesamte Produkt müssen verrotten können oder regenerierbar sein, um diese durch biologischen Abbau in den Kreislauf zurückführen zu können. Durch den biologischen Abbau entstehen Nährstoffe für das Wachstum von pflanzlichen Rohstoffen. Diese können wiederum für die Herstellung biologisch abbaubarer Materialien verwendet werden.
Die Nutzungsdauer von Produkten der Bioökonomie kann zum einen durch die Kaskadennutzung optimiert werden. Alternativ kann der biologische Abbau auch zur Energiegewinnung im Sinne von Recover (Biogas/Kompost) genutzt werden. Wenn nur einzelne Komponenten biologisch abbaubar sind, ist es wichtig, das Produktdesign (Rethink/Redesign) so auszulegen, dass diese Komponenten gut voneinander trennbar sind. Alle weiteren Komponenten müssen am Ende der Lebensdauer wiederum einem Recycling zugeführt werden. In der Abbildung sind die möglichen Kreisläufe der Bioökonomie dargestellt.
Quellen
[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung Referat Nachhaltiges Wirtschaften, Bioökonomie. Nationale Bioökonomiestrategie Zusammenfassung; Bundesministerium für Bildung und Forschung Referat Nachhaltiges Wirtschaften, Bioökonomie, 2020. https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/7/31561_Nationale_Biooekonomiestrategie_Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt geprüft am 2020).
[2] Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union. VERORDNUNG (EU) 2024/1781 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG: 2024/1781. Amtsblatt der Europäischen Union, 2024.
[3] Sachverständigenrat Bioökonomie Bayern. Themenpapier - Kreislaufwirtschaft im Kontext der Bioökonomie; Sachverständigenrat Bioökonomie Bayern, 2022. https://www.biooekonomierat-bayern.de/images/2022/Themenpapiere2022/2022_Biokonomie_und_Kreislaufwirtschaft.pdf (zuletzt geprüft am 12.08.24).
[4] Fehrenbach, H.; Köppen, S.; Kauertz, B.; Detzel, A.; Wellenreuther, F.; Breitmayer, E.; Essel, R.; Carus, M.; Bienge, K.; Geibler, J. von. BIOMASSEKASKADEN: Mehr Ressourceneffizienz durch Kaskadennutzung von Biomasse - von der Theorie zur Praxis; Umweltbundesamt, 2017. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-06-13_texte_53-2017_biokaskaden_abschlussbericht.pdf (zuletzt geprüft am 27.11.24).
[5] Helmholz Zentrum für Umweltforschung. Dürren in Deutschland. https://www.ufz.de/index.php?de=47252 (zuletzt geprüft am 20.08.24).
[6] Thrän, D.; Moesenfechtel, U. Das System Bioökonomie; Springer-Verlag GmbH, Springer Nature, 2020. DOI: 10.1007/978-3-662-60730-5.
[7] European Compost Network. Circular Bioeconomy. https://www.compostnetwork.info/policy/circular-economy/ (zuletzt geprüft am 25.07.24).