Assistenz bei der Arzneimittelversorgung von Menschen im Alter mittels Künstlicher Intelligenz zur Therapiesicherheit

Assistenz-Arzneimittelversorgung

 


Projektübersicht

Anzahl Studierende 1
Art Projekt mit externem Partner
Projektverantwortung

Prof. Dr.-Ing. Martin Kohlhase,
Björn Gorniak (Connext Communication GmbH),
medizinische Unterstützung durch Prof. Dr. med. Annette Nauerth

Projektkontext

Projekt in Zusammenarbeit mit der Firma Connext Communication GmbH aus Paderborn sowie dem Center for Applied DataScience in Gütersloh.

Projektdurchführung

Caroline Kries

 

Kurzbeschreibung

Die medikamentöse Behandlung von alten Menschen (> 65 Jahren) stellt eine große Herausforderung für das Sozial- und Gesundheitswesen dar. Statistisch gesehen haben 13,7 % der Menschen über 70 Jahren in Deutschland eine Übermedikation (dies beschreibt den Sachverhalt, dass man mehr Medikamente einnimmt als sinnvoll, da diese Wechselwirkungen / Folgewirkungen haben). Bei der Detailbetrachtung fällt auf, dass 50 % aller70-jährigen täglich mehr als 5 Medikamente gleichzeitig einnehmen.

Nicht selten haben diese Medikamente eine Auswirkung auf die Erkrankung oder verursachen direkte Nebenwirkungen. Nebenwirkungen treten bei älteren Patient*innen statistisch sieben Mal häufiger auf, als bei vergleichbaren Patientengruppen mit einem deutlich jüngeren Alter und bei gleicher Medikation. Die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bietet hierbei einen Ansatz, die Wechselwirkung zwischen Medikamenten zu betrachten. Damit wird vorallem das Anwendungsrisiko (Gabe der Medikamente) reduziert oder eine falsche Medikation nach Verschreibung vermieden.

Die AMTS Prüfung betrachtet aber nur akute, direkte Beschwerden durch Nebenwirkungen. Eine assistierende Handlungsempfehlung wird dabei nicht gegeben. Präventiv wird ebenfalls keine Handlung ermöglicht, da die Abhängigkeiten nicht analysiert sind. Klagt ein Patient*in zum Beispiel über Geschmacksverlust, kann dieses eine mögliche Nebenwirkung einer Medikation sein. Solche Beziehungen stellen eine Herausforderung dar und sollen in diesem Ansatz mitberücksichtigt werden. Zudem sind Spätfolgen und Entwicklungen durch die Medikation aktuellnicht Grundlage der Entscheidungen. Hier soll mittels KI, insbesondere maschineller Lernverfahren (ML), sowie auf Grundlage bestehender Werte und Kennzahlen eine Assistenz entstehen, die eine Therapiesicherheit ermöglicht und Spätfolgen und Nebenwirkungen reduziert.

Aufgabenstellung

Der / die Studierende soll im Rahmen des Projektes ein maschinelles Lernverfahren entwickeln bzw. weiterdenken, welches die Relationen der Wechselwirkung erweitern und abbilden kann. Dabei sollen Medikamentengaben in Verbindung mit dem Krankheitsbild und Vitalparametern im zeitlichen Verlauf betrachtet werden.

Dabei wird davon ausgegangen, dass die Medikamentengaben eine Auswirkung auf die Krankheitsbilder haben und langfristig Diagnosen verändern. Dafür ist es im ersten Schritt wichtig, die Medikamentengaben und Diagnosen in ein Verhältnis zu setzen und eine Häufung von Medikamenten, eine Veränderung von Vitalparametern und (zusätzliche) Diagnosen anhand von bestehenden Daten zu analysieren. Aus diesen Daten und Informationen sollen Modelle trainiert und evaluiert werden, mit denen für einzelne Diagnosen und Medikationen (Wirkstoffe aus Medikamenten) eine assistierende Häufigkeit für langfristige Veränderungen / Tendenzen berechnet werden kann.

Das Ziel ist die Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen in einer Pflege- und Betreuungssituation. Dieses soll durch die bessere Behandlung, eine zielgerichtete Medikation und präventives Handeln erreicht werden. Dabei wird von der Problemstellung ausgegangen, dass durch die falsche Medikation nicht nur einedirekte, akute Wechselwirkung / Nebenwirkung erzeugt wird, sondern dass durch Übermedikation und Falschmedikation eine langfristige Veränderung des gesundheitlichen Zustands herbeigeführt wird.

Dabei soll betrachtet werden, in welchen Abhängigkeiten die Diagnosen, Vitalzeichen und Medikamentengabenzueinanderstehen, um mögliche gesundheitliche Verbesserungen / Verschlechterungen besser abschätzen zukönnen. Oder in wieweit durch den Tausch einzelner Parameter in der Versorgungssituation eine Veränderung in nahezu gleichen Situationen möglich ist.

Konkret heißt dieses in einem Anwendungsszenario, dass davon ausgegangen wird, dass Herr Mustermann, der in einem Altenpflegeheim lebt und die Diagnose A mit den Beschwerden A hat, durch ein Medikament A eine Linderung erfahren soll, die ebenfalls A heißt. Wenn Herr Mustermann aber nun Diagnose B zusätzlich bekommt, dann hat er die Beschwerden A + B (in Gesamtheit). Im besten Fall erhält er nun ein Medikament, welches für die beiden Beschwerden eine Linderung A + B erreicht, doch kann es durchaus auch sein, dass er zwei Medikamente erhält, die sich jeweils einzeln mit den Beschwerden beschäftigen, aber eine Nebenwirkung haben, zum Beispiel Nebenwirkung C. Ob C nun langfristig (Betrachtung über Jahre) immer die Diagnose C auslöst, soll im Rahmen der Analyse ermittelt werden. Zudem soll verglichen werden, ob bei gleicher Therapie, bei einem/einer anderen Patient*innen, andere Ergebnisse erreicht wurden, sodass diese Konstellation wirkungsvoller erscheint.

Das Gesamtziel ist dabei in Arbeitspakete / Teilziele aufzuteilen, die sich an den Schwerpunkten Datenanalyse, Modellerarbeitung / Modellierung und (Weiter-)Entwicklung eines ML-Verfahrens orientieren. Im Rahmen der Datenanalyse soll vor allem festgestellt werden, ob die Annahme bestätigt werden kann, dass es eine Abhängigkeit zwischen den Diagnosen, Vitalparametern und Medikamentengaben gibt. Hierbei soll ebenfalls betrachtet werden, ob eine Teilbetrachtung und damit eine Konzentrierung auf einen Diagnosen-Kontext, der z.B. besonders häufig vorhanden ist, sinnvoll ist.

Im Rahmen des Forschungsmasters sollen diese Fragestellung behandelt werden, indem bestehende ML-Verfahren prototypisch umgesetzt und angewendet werden. Es sind geeignete ML-Verfahren auszuwählen und zu vergleichen. Die Vor- und Nachteile der gewählten Verfahren sind zu beleuchten. Außerdem ist die Zuverlässigkeit der Aussagen und Prognosen genau zu bewerten. Wie kann bspw. sichergestellt werden, dass die Modelle bei unbekannten Daten keine falschen Aussagen/Entscheidungen treffen. Zudem sind die Ergebnisse in einem medizinischen Kontext zu diskutieren und zu bewerten.

In einem abschließenden Schritt wäre eine Anbindung und Umsetzung im Rahmen einer Micro-Service- Architektur im Rahmen der Vivendi Assist Plattform wünschenswert. Gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen der Firma Connext Communication GmbH kann ein Prototyp umgesetzt werden und eine Erprobung mit einem Praxispartner erfolgen. 

 

Bezug zum Thema Data Science
Aus den umfangreichen Datenmengen und darin enthaltenen Informationen / strukturierten Angaben, sollen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die auf maschinell gelernten Modellen basieren. Dieser Ansatz soll es der Connext Communication GmbH zukünftig ermöglichen, im Rahmen der Pflegedokumentationssoftware, eine verbesserte Medikationsdokumentation zur Verfügung zu stellen.

Durch verschiedene Analyseverfahren und -tools sollen Abfragen entwickelt werden, die auf Basis der Daten und der gelernten Modelle eindeutige und sichere Entscheidungen bzw. Prognosen liefern. Im Austausch mit den Mitarbeitern der Firma Connext Communication GmbH sollen diese Informationen fachlich abgewogen und Schwerpunkte identifiziert werden. Die abgeleiteten Inhalte sollen als Entscheidungsgrundlage für die Pflegekräfte und weiteres medizinisches Personal zur Verfügung gestellt werden.

Im Rahmen der Nutzung der Connext-Cloud-Plattform (Produktname Vivendi Assist) können diese Daten verarbeitet und analysiert werden. Als Kooperationspartner steht dabei u.a. die Microsoft Azure Plattform zur Verfügung. Zudem kann der Data-Analytics-Cluster des Center for Applied Data Science zur Datenanalyse und für die Methodenauswahl genutzt werden.

 

Verfügbare Ressourcen
Für die Bearbeitung des Projekts kann auf die Infrastruktur der Connext Communication GmbH und auf die Infrastruktur des Center for Applied Data Science zurückgegriffen werden. Die Connext-Cloud basiert vor allem auf den Cloud-Strukturen der Microsoft Azure Plattform, wenn es um die Analyse von Daten geht sowie um die Bereitstellung von Services und eine interoperable Kommunikation mit weiteren Systemen.

Dabei kann im Rahmen der Microsoft Azure Plattform auf verschiedene Open-Source-KI-Framework zurückgegriffen werden [https://azure.microsoft.com/de-de/overview/ai-platform/]. Die Datengrundlage wird gemeinsam mit einem Modell-Anwender zu Beginn und anschließend gemeinsam mit der Connext Communication GmbH erarbeitet.

 

Projektplan
Erstes Semester: 
Konkretisierung des Forschungsvorhabens und Analyse des Nutzungskontexts. Dies beinhaltet die fachliche Einarbeitung in die Thematik sowie in die technische Cloud-Infrastruktur der Connext Communication GmbH(Produktname Vivendi Assist Services), in der die Datenstrukturen und die fachlichen Prozesse dargestellt werden. Hinzu kommt eine Recherche nach vergleichbaren Ansätzen und Verfahren inklusive Modellbetrachtung anhand von Literaturquellen. Die Erarbeitung eines Forschungsexposés am Ende des Semesters ist Prüfungsleistung.

Zweites Semester: 
Entwicklung des Analyseverfahrens und Beschreibung der notwendigen Algorithmen zur Datenanalyse. Ableitung von Modellen anhand der Forschungsfrage bei Konzentration auf einzelne Diagnosen. Erprobung der ausgewählten ML-Verfahren und Vergleich an Beispielen, die im Rahmen der Untersuchungen im ersten Semester erfolgt sind. Die Erstellung eines Papers zum Stand der Forschung (Überblick über das jeweilige Forschungsgebiet) ist Prüfungsleistung.

Drittes Semester: 
Erweiterung der Analyse auf weitere Datenbestände (Diagnosen), um eine Evaluation eines favorisierten ML-Verfahrens vorzunehmen. Fachliche Bewertung anhand einer konkreten Umsetzung und Anwendung durch einen Connext-Kunden. Anpassung und Justierung des Modells und Evaluation der gewonnenen Erkenntnisse. Die Erstellung eines Papers mit ersten quantitativen Ergebnissen ist Prüfungsleistung.

Viertes Semester: 
Erweiterung der Analyse auf weitere Datenbestände (Diagnosen), um eine Evaluation eines favorisierten ML-Verfahrens vorzunehmen. Fachliche Bewertung anhand einer konkreten Umsetzung und Anwendung durch einen Connext-Kunden. Anpassung und Justierung des Modells und Evaluation der gewonnenen Erkenntnisse. Die Erstellung eines Papers mit ersten quantitativen Ergebnissen ist Prüfungsleistung.

 

Eignungskriterien
Zwingend:

  • Bachelorabschluss in einer einschlägigen Fachrichtung
    (Informatik, Elektrotechnik, angewandte Mathematik o.ä.)
  • Umfassende Programmierkenntnisse (in bspw. C++, Python, Matlab o.ä.)
  • Gute mathematische Kenntnisse
  • Gute Englischkenntnisse
  • Teamfähigkeit und Interesse

Optional:

  • Grundkenntnisse in agilen Projektumsetzungen und Entwicklungserfahrungen
  • Erfahrungen in den Bereichen der Statistik (Data-Science) und der Visualisierung von Daten und deren Zusammenhänge

 

Erwerbbare Kompetenzen
Der / die Studierende ist nach Abschluss des Projekts in der Lage,

  • einen ML- und Cloud-basierten Datenanalyse-Workflow aufzusetzen,
  • die für die Datenanalyse relevanten ML-Verfahren zielgerichtet anzuwenden und anwendungsbezogen anzupassen und ggf. weiterzuentwickeln,
  • einen Big-Data Workflow zu benennen und zielgerichtet einzusetzen,
  • die theoretischen Anforderungen von ML-Verfahren mit den Erfordernissen der Praxis in einer realen Anwendung in Einklang zu bringen,
  • die eigenen Forschungsergebnisse vor einem Fachpublikum zu präsentieren
  • und wissenschaftliche Texte zu verfassen