Annähernd 450 Gäste, davon etwa 150 online aus aller Welt zugeschaltet: Der diesjährige Jahresempfang der HSBI erfreute sich großen Zuspruchs. Leitthema des abwechslungsreichen Programms: die Generation Z, die laut Keynote-Speaker Rüdiger Maas, von einem Großteil der Älteren „immer noch nicht verstanden wird“. Die Hochschule jedoch macht sich schlau, um sich auf die Anforderungen der nachrückenden Generation von Studierenden einzustellen, betonten die Mitglieder des Präsidiums in ihren programmatischen Beiträgen.
Bielefeld (hsbi). Wer zwischen 1995 und 2010 geboren wurde, gehört zur Generation Z (GenZ). Das ist genau die Generation, die aktuell und in Zukunft an den Hochschulen studieren wird. Grund genug für das Präsidium der Hochschule Bielefeld (HSBI), diese „Generation Next“ inhaltlich ins Zentrum des aktuellen Jahresberichts und des Jahresempfangs zu stellen. HSBI-Präsidentin Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk begrüßte die Gäste so auch mit dem Hinweis, dass nur diejenigen Hochschulen künftig erfolgreich sein werden, die die spezifischen Voraussetzungen dieser Generation berücksichtigen. Damit spielte sie an auf den demografischen Wandel, der die Gruppe der potenziell Studieninteressierten in OWL wie in ganz Deutschland in den kommenden zehn Jahren schrumpfen lässt.
Aufbruchsstimmung an der HSBI durch die Umbenennung der Hochschule
Diese Entwicklung sieht die HSBI-Präsidentin keineswegs negativ, sondern als Herausforderung und Chance zur Modernisierung. Sie macht in ihrem Haus eine Aufbruchstimmung aus, die nicht zuletzt durch die am 19. April dieses Jahres erfolgreich durchgeführte Umbenennung der FH Bielefeld in Hochschule Bielefeld – University of Applied Sciences and Arts (HSBI) noch einmal einen Schub bekommen habe: „Wir gehen die aktuellen Herausforderungen, vor denen die HSBI und das Hochschulwesen hierzulande insgesamt stehen, mit Tatkraft an. Da geht es unter anderem um die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Internationalisierung. Und es geht um die Schaffung einer Willkommenskultur und eines zeitgemäßen Studiums für die neue Generation, die die Fach- und Führungskräfte von morgen stellen wird und die eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt der Zukunft sein soll.“
Maas: „Heutige Jugend kann sich ihre Jobs quasi aussuchen“
In seinem Impulsvortrag brachte der Diplom-Psychologe Rüdiger Maas vom Augsburger Institut für Generationenforschung den annähernd 450 Gästen – davon waren etwa 150 online zugeschaltet – die gesellschaftlichen Startbedingungen und das Wohl und Weh dieser nachrückenden Generation Z in eindrucksvoller Weise nahe. Und legte auch gleich den Finger in die Wunde: „Ein Großteil der Älteren“, so Maas, „versteht die GenZ schlichtweg nicht.“ Man empört sich darüber, dass diese neue Generation im Studium oder auf dem Arbeitsmarkt extrem fordernd sei und verkennt dabei die Ausgangslage: In Deutschland werden zurzeit 3.500 Menschen pro Tag 65 Jahre alt. Dem stehen nur 1.800 Menschen gegenüber, die täglich volljährig werden. „Die heutige Jugend kann sich ihre Jobs quasi aussuchen.“ Und bald auch ihre Studiengänge, möchte man hinzufügen. Da sei es, psychologisch gesehen, ganz natürlich, wählerisch zu werden und oft unverbindlich zu bleiben, so Maas. „Fear of better option“ nennen das die Fachleute – es gibt ja vielleicht immer noch etwas Besseres…
„Analoge Angebote müssen wieder attraktiver werden.“
Rüdiger Maas, Institut für Generationenforschung
Angeheizt wird dieser Trend durch die zunehmende Digitalisierung: Die GenZ war und ist immer online. Sie kennt keine Welt ohne Internet und soziale Medien, und wenn der eine Kanal gerade mal langweilig ist, schaltet man halt um auf den anderen. Maas: „Unterhaltungs- und Ablenkungsangebote sind stets verfügbar, ihr unentwegter Einsatz längst konditioniert mit teilweise fatalen Folgen wie einer um sich greifenden Internetspielsucht.“ Einziger Ausweg aus Sicht des Generationenforschers: „Analoge Angebote müssen wieder attraktiver werden!“ Und da können die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ins Spiel kommen mit ihrem praxisorientierten Präsenzangebot.
Ein Stichwort, dass der bekannte WDR-Journalist Tim Berendonk, Moderator des Jahresempfangs, bereitwillig aufgriff und an die Vizepräsidenten der HSBI in der Talkrunde zur GenZ weiterreichte. Sie skizzierten die vielfältigen Bestrebungen für eine Attraktivierung des Studiums an der HSBI, für eine die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen anpackende Forschung, für mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen und für eine internationale Ausrichtung der Hochschule insgesamt.
Noch einen wichtigen Punkt berührte die Diskussion: Die Definition von Eigenschaften einer Generation bringt unweigerlich eine Generalisierung mit sich. Der tatsächlichen Vielfalt und Vielschichtigkeit von Menschen wird das oft nicht gerecht. Das Urteil fällt so nicht selten zu negativ aus und mündet von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer wieder im unangemessenen Stöhnen über die „heutige Jugend“, monierte HSBI-Präsidentin Schramm-Wölk.
Ehrenamtliche Arbeit für Kinder mit Fluchterfahrung: Engagementpreis geht an Wilson Awal
Dass negative Klischees der GenZ bei weitem nicht gerecht werden, wurde spätestens bei der Verleihung des Engagementpreises durch den Förderverein der HSBI deutlich. Denn: Der diesjährige Preisträger Wilson Awal, Student der Sozialen Arbeit am Fachbereich Sozialwesen, ist ein positives Rollenmodell auf ganzer Linie. Awal engagiert sich an der HSBI nicht nur als stellvertretender Vorsitzender und Finanzreferent des AStA, sondern auch in einem freiwilligen Tutorium gegen Rassismus. Obendrein setzt er sich neben dem Studium ehrenamtlich für Kinder mit Fluchterfahrungen ein. Das geschieht im Bielefelder Verein „Spielen mit Kindern“ und auch international: Im Sommer vergangenen Jahres unterstütze Awal für vier Monate die Organisation ELIX vor Ort im berüchtigten und inzwischen geräumten Athener Flüchtlingslager Eleonas. „Ich habe dort hauptsächlich mit Kindern gearbeitet und ihnen unterschiedliche Angebote gemacht, damit ein bisschen Abwechslung in ihren schwierigen Alltag kommt“, berichtet Awal. „Diese Erfahrungen haben mich nachhaltig geprägt und mein Bewusstsein für die globale Herausforderung der Migration geschärft.“
Jahresgabe von Prof. Adrian Sauer führt digitale Techniken auf ihren Ursprung zurück
Einen ebenso tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel thematisiert Prof. Adrian Sauer vom Fachbereich Gestaltung in der von ihm gestaltete Jahresgabe 2023: die digitalen Bildwelten. Die Jahresgabe der HSBI ist ein Kunstwerk, das traditionell von einem Lehrenden des Fachbereichs Gestaltung erstellt und an die Gäste des Jahresempfangs ausgegeben wird. Sauer vertritt im Fachbereich Gestaltung das Lehrgebiet „Fotografie und generative Bildsysteme“, und er möchte mit seiner Arbeit sensibilisieren für den Einsatz bildgebender Techniken, deren Verwendung im gestalterischen Einsatz in der Regel unsichtbar bleibt. „Als Künstler jedoch ist es mein Ansatz, Dinge sichtbar zu machen“, so Sauer. „Die Jahresgabe nutze ich, um die Möglichkeiten der Bilderzeugung mit digitalen Mitteln auf ihren Ursprung zurückzuführen.“
Entstanden ist eine Serie von 512 unterschiedlichen Motiven, die eines gemeinsam haben: Sie bestehen aus 9 Quadraten, die jeweils schwarz oder weiß sein können. Es werden für die Jahresgabe alle 512 möglichen Kombinationen daraus gezeigt. „Somit haben wir es im Grunde mit der binären Darstellung einer Zahl zu tun“, erläutert Sauer. Die Bilder haben zwar keine über den Zahlencode hinausgehende verbindliche Bedeutung, zu sehen ist schlicht die Übertragung einer Zahl in eine Grafik. Aber, so Sauer: „Mit der Jahresgabe erhalten die Gäste einen Teil einer größeren Einheit. All die individuellen Blätter sind erst vollständig im Zusammenhang mit den anderen Teilen der Edition.“ Der Künstler möchte die Betrachtenden mit seiner Arbeit dazu einladen, sich generell Gedanken zu machen über den Einfluss der jeweils zugrundeliegenden Technik auf das Dargestellte: „Was sehe ich, wenn ich ein ergreifendes oder aufregendes Bild in meiner Timeline auf Social Media sehe?“ Seine Antwort: „Immer auch digital codierte Zahlen.“
Als Kontrast dazu sei ergänzt, dass die Musik auf diesem Jahresempfang zur GenZ analog daherkam: Jasper Klein, Studierender der Musikhochschule Detmold, Partnerin der HSBI in der Kooperation Campus OWL, sang und spielte Klavier. Ausgewählt wurden Songs, die ebenfalls zum Leitthema der Veranstaltung passten, unter anderem eine Coverversion von Billie Eilishs „Everthing I wanted“. Wie wenige aktuelle Interpretinnen darf Eilish als die unique Stimme der aktuellen Generation gelten. (lk)
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