Im Physik‐Labor auf dem Campus Minden lernen angehende Ingenieurinnen und Ingenieure problemlösendes Denken.
Minden (fhb). „Physik ist die Grundlage für sämtliche Ingenieurwissenschaften. Physik zu lernen, bedeutet auch, problemlösendes Denken zu lernen.“ Fast schon philosophisch schwärmt Prof. Dr. Frank Hamelmann über sein Fachgebiet.
Hamelmann ist seit 2010 Physikprofessor am Campus Minden der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Dort lehrt er Physik in den praxisintegrierten Studiengängen Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen. Für ihn ist das Physik‐Labor mit seinen Versuchsständen für Ingenieurstudiengänge unverzichtbar: „Da zitiere ich gern Albert Einstein: ‚Lernen bedeutet Erfahrungen zu machen. Alles andere ist nur Information.‘ Und die Erfahrungen machen die Studierenden bei den Versuchen im Labor. Oder wie es schon Konfuzius wusste: ‚Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde mich vielleicht erinnern. Lass es mich tun, und ich werde es verstehen.‘"
Video Physik-Labor am Campus Minden
Physik-Labor am Campus Minden
Den Alltag berechnen
Dabei sind es vermeintlich alltägliche Geschehnisse, die hier analysiert und ausgewertet werden, wie beispielsweise die Haftreibung von Klötzen aus verschiedenen Materialien, die eine schiefe Ebene herunterrutschen. Da ist zunächst wohl jedem durch den gesunden Menschenverstand klar, dass ein Gummiklotz erst bei einer steileren Neigung ins Rutschen kommt als ein glatter Holz‐ oder Aluminiumklotz. Doch welche Kräfte wirken hier konkret und wie kann man sie berechnen? „Das sind Grundlagen, die eine Ingenieurin oder ein Ingenieur beherrschen muss“, so Hamelmann.
Der Kümmerer
Unterstützt werden die Studierenden bei den Berechnungen von Jörg Meier‐Pechstein, der seit über 30 Jahren an der FH Bielefeld tätig ist – erst in Bielefeld, seit 2009 am Campus Minden. Meier‐Pechstein war der erste wissenschaftliche Mitarbeiter vor Ort, als damals die praxisintegrierten Studiengänge neu aufgebaut wurden. „Ich habe nicht nur das Physik‐Labor aufgebaut, sondern anfangs dafür gesorgt, dass überhaupt der Lehrbetrieb starten konnte. Da waren wir froh, dass wir Tische, Stühle, Tafeln und Kreide hatten“, erinnert er sich schmunzelnd an die ersten Wochen zurück.
Top ausgestattet
Inzwischen ist der Campus Minden personell hervorragend aufgestellt und auch die Laboreinrichtung lässt keine Wünsche offen. Seit 2015 ist das Physik‐Labor einem neu errichteten Gebäude untergebracht.
Praktikum at home
„Wegen Corona fehlten allerdings lange Zeit die Studierenden“, beklagt Meier‐Pechstein, „aber dann musste das Labor eben zu den Studierenden kommen!“ Für das ‚Praktikum at home‘ haben Meier‐Pechstein und Hamelmann in den vergangenen Semestern Videos der Experimente im Physik‐Labor gedreht und Versuche entwickelt, die die Studierenden selber zu Hause mit einfachen Hilfsmitteln aus dem Haushalt durchführen können: Pendelversuche mit einem Apfel erlauben Rückschlüsse auf die Erdbeschleunigung, das Smartphone in der Salatschleuder erklärt die Zentrifugalkraft und eine Papprolle hilft, einen Reibungsversuch durchzuführen.
Auch wenn Hamelmann und Meier‐Pechstein sehr froh sind, dass die Studierenden inzwischen wieder zurück auf den Campus kommen, so können sie dem ‚Praktikum at home‘ auch Positives abgewinnen. „Wir mussten kreativ werden und uns auf Wesentliche reduzieren. Ich glaube, dass der Aha‐Effekt für die Studierenden zuhause noch ein anderer war, weil man die Physik noch mehr in den Alltag geholt hat“, so Frank Hamelmann. Er kann sich vorstellen, dass die eine oder andere Aufgabe auch künftig von Studierenden berechnet wird, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Hochschule kommen können.
Keine Angst vor Physik
Das Experiment „Haarspalterei“ zeigt Meier‐Pechstein auch gern bei öffentlichen Veranstaltungen, wie dem Hochschulinfotag: Die Gäste können dann ein Haar spenden, dessen Stärke Meier‐Pechstein anhand eines Laserstrahls in unterschiedlicher Entfernung misst und dabei auch gern die Besucherinnen und Besucher einbindet. „Meist sehen sie dann schon an dieser kleinen Aufgabe, dass Physik keine Hexerei ist und sehr spannend sein kann.“ Ähnlich klingt sein Rat an Studieninteressierte, die sich für technische Fächer interessieren, aber vielleicht in der Schule von Physik nicht gerade begeistert waren: „Erfahrungsgemäß bekommen viele Studierende hier noch einmal einen ganz anderen Zugang zur Physik, weil wir überwiegend mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis arbeiten. Außerdem bieten wir intensive Vorkurse und Tutorien an.“
Angewandte Forschung
Das Physik‐Labor wird auch in der Forschung genutzt – ebenfalls sehr anwendungsorientiert. Prof. Dr. Hamelmann forscht zurzeit mit Kolleginnen und Kollegen aus der Informatik unter anderem an der Fehlererkennung in Photovoltaikanlagen: Die Anlagen sollen durch maschinelles Lernen seitens der Informatik und mit Simulationen von Ingenieurseite effizienter gemacht werden. „Auch das ist typisch für die Lehre, wie auch später im ingenieurmäßigen Arbeitsalltag: wir arbeiten meist fächerübergreifend zusammen für die Praxis und selten an rein physikalischen Projekten“, so Hamelmann. (Juri Wunder / vku)