Knapp 100 Teilnehmer*innen aus 17 Ländern nahmen Mitte Dezember an der zweitägigen Online-Konferenz Smart TecStyle 2021 teil. Bei dem erstmals in dieser Form stattfindenden Format wurden vielfältige Fragestellungen rund um das Thema Textilien vorgestellt. Von der Modellierung und Simulation über neue Herstellungsverfahren sowie die Entwicklung von funktionalen Textilien für Schutzkleidung oder medizinische Anwendungen sowie E-Textilien, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch intelligente Entwicklungen im Bereich Design und Style, sowie die Nachhaltigkeit und Zirkularität waren wichtige Themen der Konferenz. Die Organisation der Veranstaltung wurde von der Arbeitsgruppe (AG) Textile Technologien der Hochschule Bielefeld (HSBI), die im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) angesiedelt ist, übernommen. Finanzielle Unterstützung erhielt die AG von Professor Thomas Süße, HSBI, und seinem Team im Rahmen des Projekts “Freiräume International“.
Professorin Andrea Ehrmann, Leiterin der AG Textile Technologien und ein Gründungsmitglied des Instituts für Technische Energie-Systeme (ITES), eröffnete die Konferenz. „Es freut mich, euch alle heute begrüßen zu dürfen. Ich bin gespannt auf die vielen interessanten Präsentationen. Vor allem aber freue ich mich auf die fünf Beiträge der Studierenden zu. Das Interesse an dem Thema und die Courage, ihre Forschungsergebnisse in einer internationalen Konferenz zu präsentieren, sind bewundernswert“, so Ehrmann.
Anschließend folgte eine kurze Begrüßung von Prof. Süße, der für das Lehrgebiet Personal und Organisation am Campus Gütersloh zuständig und mitverantwortlich für den Ausbau der internationalen Netzwerke in der Hochschule ist. Das dreiköpfige Team des Projekts unterstützt unter anderem den Ausbau internationaler Forschungsvorhaben, Studierende, Dozenten, Forschende sowie den Personalaustausch und Double-Degree-Programme.
Die Online-Veranstaltung war in sieben thematische Sitzungen eingeteilt. Am ersten Tag der Konferenz wurden die neuesten Modellierungs- und Simulationsmethoden, die Entwicklung von Textilien für Schutzkleidung, aktuelle Errungenschaften und Einsatzmöglichkeiten der Additiven Fertigungsverfahren von Textilien sowie die Nachhaltigkeit und Zirkularität im Bereich der Textilherstellung vorgestellt. Am zweiten Tag wurden E-Textilien, Textilien mit chemischen, biologischen und medizinischen Ansätzen und die Perspektiven auf dem Gebiet der Textilen Technologien diskutiert. Um den Kongress lebendiger zu gestalten, wurden in den virtuellen Pausen Breakout-Sessions für den persönlichen Austausch angeboten.
Neben vielen Vorträgen von namenhaften Expert*innen aus der Forschung, wie unter anderem Professor Thomasz Blachowicz von der Silesian University of Technology und Professorin Anne Schwarz-Pfeiffer von der Hochschule Niederrhein, wurden viele Vorträge von Doktorand*innen zu ihren jeweiligen Promotionsthemen gehalten. Nachwuchswissenschaftler*innen präsentierten die innovativen Ergebnisse ihrer Arbeiten. Unter anderem wurden eine neue automatisierte, kostengünstige spektrometrische Methode zur Erkennung und Sortierung von Textilien zu Recycling-Zwecken und eine Studie zur potentiellen Nutzung von pflanzlichen Abfällen wie Kartoffel- und Bananenschalen für die Produktion eines Materials mit antibakteriellen Eigenschaften für den 3D-Druck vorgestellt.
Seitens der Industrie waren das Unternehmen DSM Protective Materials aus den Niederlanden und das Großunternehmen KARL MAYER STOLL R&D GmbH vertreten. Katrin Freier, die Vertreterin des Unternehmens DSM, berichtete über die Forschung und Entwicklung an gestrickten Textilien aus UHMWPE-Fasern, die sich zum Schutz von Bombensplittern eignen und funktionell für den täglichen Gebrauch sind. Michael Kieren von der KARL MAYER STOLL R&D GmbH präsentierte die Möglichkeiten der Technik der Kettengewirke für die Anwendung bei der Herstellung von E-Textilien im großindustriellen Maßstab. Um mit dem schnellen Fortschritt im Bereich der Textilien mitzuhalten, hat das Unternehmen eine große Entwicklungsabteilung für textile Anwendungen gegründet, die die Firmenkunden bei der Entwicklung von neuen funktionellen Produkten unterstützt.
Die HSBI war bei der Konferenz mit zwei Vorträgen vertreten. Dr. Lilia Sabantina, die am Fachbereich IuM die Nachwuchsforschungsgruppe “Nanomaterials“ leitet, berichtete über die Einsatzmöglichkeiten von Pilzmyzel-Verbundwerkstoffen, an denen die AG zurzeit forscht. Das Myzel besteht aus den fadenförmigen Zellen des Pilzes. Die AG forscht seit 2019 an der Kombination dieses nachhaltigen, preiswerten und vielseitigen Materials mit Textilien. Myzel hat isolierende und antibakterielle Eigenschaften und ist nach dem Karbonisieren leitfähig. „Pilzmyzel-Verbundwerkstoffe können in der Zukunft bei der Produktion von Sport- und Schutzbekleidung sowie als Filter eingesetzt werden. Es sind auch Einsatzmöglichkeiten für Computer und Raumfahrt möglich“, berichtete Sabantina. Die Arbeitsgruppe ist ein Vorreiter auf diesem Forschungsgebiet und ist auf der Suche nach Kooperationspartnern, um dieses weiter auszubauen.
Über das Thema Nachhaltige Textilien und das neue EU-Abfallgesetz referierte Fabian Schoden, Doktorand am Institut für Technische Energie-Systeme der HSBI. In seinem Vortrag machte er auf Probleme bei der Produktion von Textilien aufmerksam, unter anderem auf die Fast-Fashion-Industrie und die bei der Produktion anfallenden Chemikalien und Umweltauswirkungen. Intelligente Textilien stellen bei der Frage der Nachhaltigkeit eine besonders große Herausforderung dar, bieten aber auch Chancen um Kreisläufe zu schließen. Schoden stellte einen nachhaltigen Design-Prozess für Kleidung vor, bei dem vor allem das Umdenken der Konsument*innen weg vom übermäßigen Konsum eine entscheidende Rolle spiele. Er schloss seine Präsentation mit dem Appel: „Lasst uns gemeinsam die intelligenten Textilien nachhaltiger gestalten.“
Die Konferenz erhielt viel Zuspruch vom Publikum. Durch den offenen Austausch konnten sich viele internationale, vielversprechende Kooperationen anbahnen. Das Schlusswort der Konferenz übernahm Professorin Ehrmann. Sie bedankte sich herzlich bei allen Teilnehmer*innen und dem Organisationsteam. “Ich bin sehr glücklich, dass es mit dieser Konferenz nächstes Jahr in China weitergeht“. Auf diese Weise machte sie auf die 2022 an der Tianjin University stattfindende und von Professor Yaming Jiang und Dr. Jun Xu ausgerichtete Konferenz aufmerksam. Zum Abschluss wurde von Yordan Kyosev , Professor an der Technischen Universität Dresden, das neu gegründete Open Access Journal CDATP, in dem er und Andrea Ehrmann Editoren sind, vorgestellt. In dem Journal werden kostenlos peer-reviewed Artikel zu textilen Technologien veröffentlicht. Viele Beiträge der SmartTecStyle-Konferenz werden ebenfalls in dem Journal veröffentlicht und sind bei Interesse für alle kostenfrei erhältlich. (ed)