Exkursion im Rahmen der Summer School in Bischkek im August 2024
Die Kyrgyz Economic University – kurz KEU – an der die diesjährige Summer School „Eurasian Energy Outlook“ stattgefunden hat, befindet sich im Herzen der Hauptstadt Bischkek.
An insgesamt vier Standorten werden an der Wirtschaftsuniversität über 5.000 Studierende ausgebildet. In den Fachbereichen Rechnungswesen, Finanzmanagement, Bankwesen, Marketing und Hotelmanagement besteht neben den Bachelor- und Masterabschlüssen auch die Möglichkeit zur Promotion.
Durch die Teilnahme an DAAD- und Erasmus-Mundus-Projekten bietet die Universität internationalen Studierenden die Möglichkeit, das Land während des Studiums kennen zu lernen.
Absolventinnen und Absolventen der Summer School
Insgesamt haben in diesem Jahr neun Studierende von sechs Hochschulen und Universitäten aus ganz Deutschland an der Summer School teilgenommen und diese erfolgreich abgeschlossen. Der interdisziplinäre Hintergrund der Teilnehmenden führte zu aufschlussreichen Diskussionen rund um das Thema Energieversorgung in Zentralasien.
Während E. Diestelhorst, T. Engelmann und J. Giebeler ihre technische Expertise durch ihr Studium der Elektrotechnik an der HSBI einbrachten, förderte P. Veit durch sein Studium der erneuerbaren Energien am Umwelt-Campus Birkenfeld Diskussionen über die Potentiale der Nutzung regenerativer Energiequellen in Zentralasien. R. Buntjer studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Osnabrück und konnte zusammen mit F. Fornefeld, die Environmental Governance an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg studiert, wertvolle Einblicke in die wirtschaftlichen Herausforderungen und Chancen geben. A. Gündel, die an der Martin-Luther-Universität Halle Musik und Russisch auf Lehramt studiert, ermöglichte den Kontakt zu den Ortsansässigen der Hauptstadt und ebnete den Weg für interessante Begegnungen. T. Steinert hat durch ihr Studium der Wirtschaftspsychologie an der HSBI die psychologischen Herausforderungen von Veränderungsprozessen bei der Umsetzung der Energiewende in Zentralasien dargestellt. A. Rudolf, der an der Universität Potsdam Remote Sensing, Geoinformation und Visualization studiert, brachte zudem Wissen über die geografischen Rahmenbedingungen der Energieversorgung in Zentralasien ein. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Fachrichtungen konnte das Leitthema der Summer School aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und diskutiert werden, wovon alle Teilnehmenden profitierten.
Das Programm
Die Summer School „Eurasian Energy Outlook 2024“ in Bischkek, der Hauptstadt Kirgisistans, bat den Teilnehmenden ein abwechslungsreiches Programm rund um das Themenfeld der Energietechnik und -wirtschaft im eurasischen Raum. Informative Vorlesungen von Dozierenden aus unterschiedlichen Ländern wie unter anderem Kirgisistan, Kasachstan und Deutschland gaben Einblicke in die Thematik mit der Besonderheit des jeweiligen Ortsbezugs. Diese wurden ergänzt von einer Exkursion zu thematisch passenden, inspirierenden Orten wie einem neuen Umspannwerk und einem Wasserkraftwerk. Das erste Exkursionsziel war das 1954 gebaute Kraftwerk. Dieses hat eine Fallhöhe von 27 m und Rohre mit einem Durchmesser von 2,1 m, durch welche pro Sekunde 14 m3 Wasser fließen. Jedes der insgesamt 3 Rohre erzeugt eine Leistung von 3 MW, das Kraftwerk kann somit insgesamt 9 MW für die lokale Stromversorgung bereitstellen. Wasserkraftwerke machen anteilig etwa ein Drittel am Energiemix in Kirgisistan aus, dem gegenüber liegt der Anteil in Deutschland nur bei etwa 5 %.
Nach der Besichtigung dieses 70 Jahre alten Kraftwerks war der nächste Abschnitt der Exkursion eine neu errichtete Umspannanlage. Das 2015 fertiggestellte Hochspannungs-Umspannwerk „Kemin“ befindet sich am Fuße der Berge des Kemintals im Nordosten Kirgisistans und versorgt die Regionen Naryn, Issyk-Kul und Chui mit Strom. Das chinesisch finanzierte Projekt ist ein wichtiger Schritt in die Richtung energetischer Unabhängigkeit Kirgisistans von umliegenden zentralasiatischen Ländern wie Usbekistan und Kasachstan. Das Umspannwerk in Kemin im Norden des Landes wird über eine ebenfalls neue, 405 km lange 500 kV Übertragungsleitung mit dem Umspannwerk Datka im Süden verbunden und ermöglicht darüber finanzielle Einsparungen im Bereich mehrerer Millionen US-Dollar durch das Wegfallen der Transitgebühren an die Nachbarländer für die Energieübertragung durch diese. Mithilfe dieser Investitionen kann Kirgisistan nicht nur den Eigenbedarf des Landes decken, sondern ist außerdem in der Lage, Strom zu exportieren.
Das Ziel der Exkursion war schließlich der Issyk-Kul See im Tianshan-Gebirge. Dieser ist mit einer Fläche von 6.236 m2 nicht nur der größte See Kirgisistans, sondern ebenfalls der zweitgrößte Gebirgssee der Erde auf einer Höhe von 1.607 m über dem Meeresspiegel.
Am Ende eines langen Reisetags sorgte diese von einem Bergpanorama gerahmte Ansicht für eine angenehme Atmosphäre, um in Gesellschaft der neuen Bekanntschaften den Abend ausklingen und die neu gewonnen Eindrücke Revue passieren zu lassen.
Zukünftige Rolle von Wasserstoff in der Energieversorgung
Wasserstoff wird in der Energiewelt zunehmend als Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Zukunft angesehen. Während der Sommerschule wurden verschiedene Anwendungsbereiche und Technologien rund um Wasserstoff diskutiert. Wasserstoff hat das Potenzial, eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Energieerzeugung zu spielen, da er als sauberer Brennstoff fungiert und als Emissionsprodukt lediglich Wasser freisetzt. Insbesondere grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie gewonnen wird, steht im Mittelpunkt dieser Zukunftsvision.
Neu in der Diskussion ist der weiße Wasserstoff. Im Gegensatz zu grünem, blauem oder grauem Wasserstoff kommt weißer Wasserstoff natürlich in geologischen Formationen vor. Die Erforschung dieser Ressource steckt noch in den Kinderschuhen, aber wenn diese natürlichen Vorkommen erschlossen werden könnten, böte sich eine potenziell kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zu den heute etablierten Verfahren der Wasserstofferzeugung. Während der Sommerschule wurde dies als Katalysator für zukünftige Wasserstoffmärkte diskutiert.
Das CASA-1000-Projekt: Chancen und Hindernisse für Energieexport und HGÜ-Übertragung in Zentralasien
Auf der Sommerschule wurde das CASA-1000-Projekt (Central Asia-South Asia Electricity Transmission and Trade Project) detailliert behandelt. Das ehrgeizige Vorhaben zielt darauf ab, überschüssigen Strom aus der Wasserkraft von Kirgisistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan zu exportieren. Dies ist von besonderer Relevanz, da beide südasiatischen Länder chronisch von Stromknappheit betroffen sind.
Das Projekt beinhaltet den Bau einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ), welche den Stromtransport über weite Strecken mit minimalen Verlusten ermöglichen soll. Dies stellt eine bedeutsame technische Innovation dar, welche die Grundlage für eine Intensivierung des Energiehandels zwischen den Regionen bildet. Für die Teilnehmer der Sommerschule stellte die Präsentation des CASA-1000-Projekts eine willkommene Gelegenheit dar, sich mit den Möglichkeiten zur Lösung regionaler Energieprobleme sowie der potenziellen Rolle des Projekts als Modell für andere Länder mit ähnlichen Herausforderungen vertraut zu machen.
Des Weiteren kann CASA-1000 als wegweisendes Projekt für den Export von erneuerbaren Energien in Zentralasien betrachtet werden. Mittelfristig ist es denkbar, neben der Wasserkraft auch Solar- und Windenergie über ähnliche Leitungen nach Südasien zu exportieren. Dies könnte die Region zu einem zentralen Knotenpunkt für saubere Energie machen und zu einer stabilen Einkommensquelle für die zentralasiatischen Länder beitragen.
Kirgistan - Land und Menschen
Kirgistan ist geografisch durch seine beeindruckenden Hochgebirge und Steppen geprägt. Bereits von Bischkek aus kann man eine Hochgebirgskette in der Ferne betrachten. Im Ala-Archa Nationalpark, eine Autostunde von Bischkek entfernt, haben wir uns von der schönen Natur selbst überzeugt. Neben den imposanten Bergkulissen, Wasserfällen und Flussbetten ist man umgeben von Wildpferden, Vögeln und Eichhörnchen.
Die Kirgisen haben durch ihre Gastfreundlichkeit herausgestochen. Während der Uberfahrten, auch "Yandex" genannt, haben sich die Fahrer oft dafür interessiert, woher wir kommen, weshalb wir hier sind und ob uns die Stadt gefällt. Manchmal haben sie dann ihnen bekannte deutsche Lieder angemacht - zum Beispiel von dem Künstler "Sido". Da neben den Amtssprachen, russisch und kirgisisch, selten Englisch gesprochen wird, haben wir hauptsächlich per Übersetzer kommuniziert, was das Interesse der Menschen nicht weniger gemacht hat.
Beim Anblick der Stadt sind uns die vielen Baustellen aufgefallen. Ein älterer Brite, der seit vier Jahren in Bischkek seine Rente verbringt, hat uns erzählt, dass sich die Stadt gerade enorm wandelt und die Hochhäuser "nur so in die Luft schießen". Uns haben zudem die sauberen Parks gefallen, in denen bis spätabends viele Kinder gespielt haben. Zudem haben wir einige Moscheen besucht, die uns durch ihre farbintensiven Malereien sehr beeindruckt haben. Kirgistan ist zu 65 % muslimisch und zu 20 % russisch-orthodox geprägt.
Wenn man den deutschen bzw. europäischen Verkehr gewohnt ist, ist Bischkek sicherlich eine Umstellung. Es wird sich nicht angeschnallt, Geschwindigkeitsbeschränkungen und generell Verkehrszeichen werden eher als Empfehlung angesehen. Allerdings haben wir kaum Unfälle gesehen und uns mit der Zeit deutlich sicherer gefühlt.
Kulinarisch ist das Land durch ein sehr reichhaltiges Essen geprägt. Beliebt sind Gerichte wie Hammelfleisch mit Reis, Schaschlik, gekochtes Hammelfleisch mit dünnen Teigfladen und gedämpfte Teigtaschen mit Fleisch und Gemüse. Zu jeder Mahlzeit gibt es normalerweise schwarzen Tee und Fladenbrot und Rahm. Insgesamt waren wir von dem Land und den Menschen sehr begeistert.
Kirgistan hat uns durch seine Hochgebirge und Steppen sowie seine sehr gastfreundlichen und an uns interessierten Menschen beeindruckt. Überrascht hat uns, dass einige Menschen durch ihre Schulzeit Deutsch sprechen konnten. Die Hauptstadt Bischkek ist durch die Urbanisierung - ersichtlich an ihren vielen Neubauten - stark im Wandel. Die kirgisischen Gerichte bestehen oft aus Fleisch in Teigtaschen oder mit Reis. Am meisten gewöhnen mussten wir uns an den unübersichtlichen Verkehr. Insgesamt waren wir von dem Land und den Menschen sehr begeistert.