Foto: Marie von Hof, Edgar Nienhüser
Nachdem die großen Hoffnungen der EU-Osterweiterung sich nur teils erfüllten und zunehmend verblassten, verbreitete sich auch in Bulgarien ein wachsender Widerwille gegen den von der EU eingeforderten Liberalismus. Das antiwestliche Ethos, das in vielen postkommunistischen Ländern heutzutage vorherrscht, ist nach Ivan Krastew auch eine Reaktion auf die moralische Hegemonie des Westens, die 2015 ihren Höhepunkt fand. Im politischen und gesellschaftlichen Diskurs versah das Vorbild EU seine Nachahmer und Neumitglieder mit abwertenden Etiketten, was zu weiterer Entfremdung führte. Die Orientierung nach Westen nimmt zu Gunsten einer Hinwendung nach Russland zunehmend ab. Warum ist das so?
Bulgarien ist ein schrumpfendes Land, dessen Bevölkerung seit 1989 um 2,5 Millionen Menschen abnahm. Ähnlich wie in Ostdeutschland sind Agile und Gutausgebildete gegen Westen gezogen. In Sofia herrscht politische Instabilität, was viele und kurz aufeinander folgende Wahlen nach sich zieht. Im Rahmen des EU-Harmonisierungsprozesses hat sich einiges in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Besseren gewandelt. Im Gegenzug sieht sich die bulgarische Bevölkerung mit Werten und Normen konfrontiert, die sich mit den traditionellen und identitätsbildenden Einstellungen nicht decken – insbesondere auf dem Land. Die Bulgar:innen sehen sich zwischen Conchita Wurst und Wladimir Putin eingeklemmt, wie die FAZ kürzlich ironisch formulierte.
Vor diesem Hintergrund reisten wir, 14 Fotografie-Studierende der Hochschule Bielefeld, im Mai 2024 nach Sofia, der Hauptstadt Bulgariens. Ausgangspunkt der einzelnen entstandenen Arbeiten war indes nicht die politische Großwetterlage. Vielmehr leiteten uns ein unverstelltes Interesse und eine zugewandte Neugier auf die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Geschichte und Geschichten, ihre sozialen Strukturen, religiösen Gemeinschaften und urbanen Gegebenheiten. Wir durchstreiften Straßen und Plätze, begegneten Menschen, stets auf der Suche nach dem authentischen Bild einer Stadt und einer Kultur, die uns ebenso fremd wie gleichermaßen vertraut erschien.
Unsere Ergebnisse präsentieren wir unter dem Titel „Sofia (София)“ in der Wissenswerkstadt.
Ausstellungseröffnung: Dienstag, 03.12.2024 um 18.00 Uhr
Arbeiten von: Karla Schradi, Carla Ruff, Paul Scheide, Marie von Hof, Angelina Masi, Hugo Hilpmann, Leona Brinkmann, Evelina Dallmann, Milan Schmidt, Daniel Schramkow, Darius Schmidt, Edward Roth
Betreuung: Prof. Roman Bezjak
Führungen mit beteiligten Studierenden:
- 16.12.2024 um 18.30 Uhr
- 07.01.2025 um 18.30 Uhr