Bielefeld (fhb). Vom 7. bis zum 19. Dezember findet die 15. Konferenz der UN-Vertragsstaaten (COP 15) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) statt. An dem internationalen Treffen in Montreal, Kanada, nehmen Regierungen aus der ganzen Welt teil, um einen Aktionsplan zum Schutz der biologischen Vielfalt für das nächste Jahrzehnt zu entwickeln.
Ebenfalls mit dabei – wenn auch nur virtuell: Nora Anicker, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Evaluation einer Kommunikationskampagne zur Minderung von Food Waste in Mexiko“ des Fachbereichs Sozialwesens der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Das Forschungsprojekt wird auf Seiten der FH von Prof. Dr. Sebastian Bamberg (Professor für Psychologie am Fachbereich Sozialwesen) geleitet, vom Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMU) finanziert und in enger Kooperation mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland und Mexiko durchgeführt.
Gemeinsamer Vortrag von FH und WWF Mexiko
Bei der UN-Biodiversitätskonferenz leitete Anicker nun zusammen mit den mexikanischen Projektmitarbeitenden Saimy Hernandez, Officer WWF Mexiko, und Octavio Ginez, Consultant WWF Mexico, den dritten Konferenztag mit einem virtuellen Vortrag ein. In ihrem Vortrag gab das Forschungsteam einen Überblick darüber, wie die Erkenntnisse aus Psychologie und Verhaltenswissenschaften in die Entwicklung und Evaluation von Interventionen und Kommunikationskampagnen einbezogen werden können.
Theorie- und evidenzbasiertes Vorgehen bei Interventionen notwendig
„Häufig werden Interventionen und Kampagnen erstellt, deren Ziel es ist, Menschen dazu zu bewegen, umweltfreundlichere und bessere Entscheidung zu treffen. Viele solcher Interventionen werden jedoch ‚aus dem Bauch‘ heraus entwickelt. Eine Überprüfung der Wirksamkeit findet oftmals nicht oder nur anhand oberflächlicher Kriterien statt. Zum Beispiel anhand der Anzahl der ‚Likes‘ bei Online-Kampagnen“, so Anicker. „Um die Wirksamkeit von Interventionen zu gewährleisten und im besten Fall zu steigern, ist es jedoch notwendig, dass bei der Planung, Gestaltung und Evaluation von Interventionen theorie- und evidenzbasiert vorgegangen wird.“
Zur Gestaltung theoriebasierter Interventionen müssen laut Anicker zunächst die Faktoren identifiziert werden, die das Zielverhalten bestimmen und beeinflussen. Wieso verhält sich eine Person so, wie sie sich verhält? So kann zum Beispiel die Wahrnehmung einer sozialen Norm („Alle meine Kolleginnen und Kollegen fahren mit dem Auto zur Arbeit“) oder von Kontextfaktoren („Parken ist im Parkhaus meiner Arbeitsstelle kostenlos“), dazu beitragen, dass eine Person sich entscheidet, selbst mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.
Anicker: „Nachdem diese Faktoren anhand einer Befragung oder durch bereits etablierte Theorien identifiziert wurden, können im nächsten Schritt, bestimmte Techniken ausgewählt werden, die entsprechend der empirischen Evidenz in der Lage sind, die dem Verhalten zugrundeliegenden Faktoren zu beeinflussen. Zum Beispiel kann der Faktor der sozialen Norm durch ‚Informationen über den Erfolg von anderen‘ beeinflusst werden. Kontextfaktoren können durch ‚Restrukturierung der Umwelt‘ verändert werden.
Im genannten Auto-Beispiel bedeutet das: Bei der Veröffentlichung von kurzen Storys über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Auto als Transportmittel der Wahl durch das Fahrrad oder die Straßenbahn ersetzt haben, mit der zeitgleichen Einführung von Parkgebühren für das Parkhaus, handelt es sich um eine evidenzbasierte Techniken, um sowohl die Kontextfaktoren als auch die Wahrnehmung bestehender sozialer Normen und darüber letztendlich das tatsächliche Verhalten positiv zu beeinflussen. „Sich darüber bewusst zu werden, dass die Interventionselemente demnach lediglich die Faktoren beeinflussen, die wiederum das Verhalten beeinflussen und nicht etwa das Verhalten direkt, ist der springende Punkt“, erklärt Anicker.
Durch dieses Vorgehen steigt laut des Forschungsteams nicht nur die Effektivität von Interventionen, sondern es verbessern sich auch die Möglichkeiten der Evaluation und der anschließenden, einheitlicheren Berichtserstattung von durchgeführten Interventionsmaßnahmen. (abo)
Weitere Informationen
Die 15. UN-Biodiversitätskonferenz findet vom 7. bis 19. Dezember 2022 in Montreal, Kanada statt. Sie soll eine Trendwende einläuten: Von der Zerstörung hin zur Wiederherstellung der Natur. Dazu wollen die Staaten der Welt eine neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt bis 2050 verabschieden, das "Global Biodiversity Framework". Die Vereinbarung soll alle Ursachen aufgreifen, die zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Dazu zählen unter anderem die Zerstörung und Ausbeutung der Natur, die veränderte Nutzung von Land und Meeren, die Folgen der Klimakrise, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.
Fachbereich Sozialwesen