Thingstätten: Von der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart
Internationales Forschungsprojekt setzt sich künstlerisch und geschichtswissenschaftlich mit den propagandistischen Freilichtbühnen des Nationalsozialismus auseinander.
Bielefeld (fhb). Zwischen 1933 und 1936 wurden rund 60 sogenannte „Thingstätten“ als propagandistische Freilichtbühnen und Versammlungsplätze des Nationalsozialismus erbaut, von denen viele noch heute in Deutschland, Polen und Russland auffindbar sind. In einem interdisziplinären Projekt von Professorin Katharina Bosse von der Fachhochschule (FH) Bielefeld setzten sich 22 internationale Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Orten auseinander. Die Ergebnisse sind nun in der Publikation „Thingstätten: Von der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart“ erschienen.
„Die Thingstätten stehen für eine Zeit, die heute schwer zu begreifen ist, auch weil auf ihr lange ein Deckmantel des Schweigens lag: Die frühen Jahre der Hitler-Begeisterung. Wenn ich vor der Architektur stehe, ist sie eine stille Herausforderung dazu, mehr über die Geschichte zu erfahren”, erklärt Herausgeberin Katharina Bosse, die am Fachbereich Gestaltung der FH Bielefeld für das Lehrgebiet „Fotografie-Künstlerische Grundlagen und Anwendungen“ zuständig ist. Einige der ehemaligen Thingstätten werden heute als Freilichtbühnen genutzt, wie die Berliner Waldbühne oder die Spielstätte der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg.
Das interdisziplinäre Projekt »Thingstätten« entwickelte sich seit 2012 aus Fragestellungen zur zeitgenössischen Kunst, mit denen sich Katharina Bosse im Zeitalter der rasanten Weiterentwicklung sozialer Online-Netzwerke beschäftigt. Sie selbst setzt sich in der Publikation mit der ehemaligen Thingstätte in Vogelsang in der Eifel auseinander. Sie projizierte historische Aufnahmen der Orte auf die Mauern und fotografierte die Installation in den Abendstunden. „Damit wird das Grundthema des Projektes, die Überlagerung von Vergangenheit und Gegenwart, in einem Bild zusammengefasst“, so Bosse.
Auf 256 Seiten setzen sich die beteiligten Künstlerinnen und Künstler und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf unterschiedliche Weise mit den Thingstätten auseinander. Alle Werke beziehen sich aber auf unseren heutigen Umgang mit den Orten. „Das interdisziplinäre Projekt verbindet Kunst und Geschichtsforschung“, betont Bosse, die eine Wissensdatenbank im Internet startete, in der historisches Material zu den Thingstätten gesammelt wird. „Mir ist es wichtig, die zukünftige Forschung zu den Orten weiter zu fördern.“