Inklusive Forschung für und mit Menschen mit Handicap
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Ein Forschungsprojekt der HSBI entwickelte Erklärvideos die Menschen mit geistiger Behinderung dabei unterstützen, ihre Gesundheitskompetenz zu verbessern. Zum Projektabschluss kamen über 100 Projektbeteiligte in der Hochschule zusammen, darunter zahlreiche Menschen mit Handicap, die als Co-Forschende und Studienteilnehmende mitwirkten.
Bielefeld (hsbi). Was sind das für Schmerzen? Muss ich damit zum Arzt? Im Forschungsprojekt „Geko-MmgB“ der Hochschule Bielefeld (HSBI) sind „Erklär-Videos“ für Menschen mit zugeschriebener geistiger Behinderung entstanden, welche die Gesundheitskompetenz dieser diversen sozialen Gruppe gezielt stärken sollen. Das Besondere an dem Projekt: Menschen mit zugeschriebener geistiger Behinderung brachten als Co-Forschende und Studienteilnehmende ihre Erfahrungen aktiv ein. Zum Projektabschluss kamen über 100 Projektbeteiligte in der HSBI zusammen, darunter auch Studienteilnehmende mit Behinderung – eine Besonderheit! Die Videos sind unter www.foerderges.hsbi.de/kompetenzvideos-2/ veröffentlicht.
Case-Film zum Forschungsprojekt
Abschlussveranstaltung in Leichter Sprache
„Es war uns aber sehr wichtig, die Arbeit aller Beteiligten sichtbar zu machen und die Veranstaltung auch so zu gestalten, dass alle teilnehmen können." Prof. Dr. Norbert Seidl, Professor für Pflegewissenschaft und Projektleitung
„Dass eine Abschlussveranstaltung eines Forschungsprojekts auch Mitwirkende mit Behinderung einlädt, ist in wissenschaftlichen Kreisen immer noch eine Ausnahme“, weiß Prof. Dr. Norbert Seidl , Professor für Pflegewissenschaft und Projektleitung am Fachbereich Gesundheit der HSBI. „Es war uns aber sehr wichtig, die Arbeit aller Beteiligten sichtbar zu machen und die Veranstaltung auch so zu gestalten, dass alle teilnehmen können.“ Zwei Dolmetscherinnen übersetzten die dreistündige Veranstaltungen dafür simultan in Leichte Sprache. Für Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen konnten, gab es die Möglichkeit, sich online dazu zu schalten. Professionelle Unterstützung gab es vom IT-Team der HSBI bei der Übertragung. Neben den Forschenden der HSBI waren die Kooperationspartner des Projekts, darunter Lebenshilfen und Stiftungen aus der Region zu Gast, ebenso wie Claudia Middendorf, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung NRW.
Co-Forschende haben gezeigt, dass sie etwas schaffen können
Beraten wurden die Forschenden durch eine Forschungs-AG. Drei Frauen und zwei Männer mit einer zugeschriebenen geistigen Behinderung gewährten als Co-Forschende Einblicke in ihre lebensweltlichen Erfahrungen und waren über den gesamten Projektverlauf aktiv am Entstehungsprozess beteiligt. Wie erlebten die Co-Forschenden das Projekt? Jochen Peter, Mitglied der „Forschungs-AG“, sagt „Meine Erfahrung mit meinem Gesundheitszustand konnte ich weitergeben und fühle mich dabei nicht als Prof. Dr. So-und-so, sondern als Jochen, Mensch wie du und ich. Wir haben gezeigt, dass wir etwas lernen und etwas schaffen können. Wir haben die Chance genutzt!“ Und Stefanie Rau ergänzt: „Ich zeige den Menschen auf diese Weise: Ich kann ´was und setze mich auch für andere Leute ein.“
Die Mitglieder der Forschungs-AG waren maßgeblich bei der Entwicklung der Videos beteiligt und haben den Projektteam konkrete Hinweise, beispielsweise auf Inhalte, die Farbgebung, die Symbolik oder das Sprechtempo gegeben. Entstanden sind insgesamt acht Videos, die ein breites Spektrum an Gesundheitsthemen behandeln: Von Schmerzen und Notfallsituationen über Wohlbefinden und Resilienz bis zu Gesundheitskompetenz und Körperwahrnehmung. Die fertigen Videos wurden wiederrum über 140 gehandicapte Menschen aus sozialen Einrichtungen in NRW und einer Einrichtung aus Niedersachsen gezeigt, um die Wirksamkeit wissenschaftlich fundiert zu ermitteln.
Partizipation und Inklusion
Die verständlich und partizipativ entwickelten Kompetenzvideos sollen Informationen vermitteln, um gesundheitskompetente und selbstbestimmte Entscheidungen zu fördern. Denn Menschen mit geistiger Behinderung sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine gesundheitlich benachteiligte Gruppe und weisen eine sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen auf. Prof. Dr. Änne Dörte Latteck, Professorin für Pflegewissenschaft und weitere Projektleitung am Fachbereich Gesundheit: „Mit dem Projekt können wir die Gesundheitskompetenz einer hoch vulnerablen Gruppe über einen niedrigschwelligen Weg stärken. Zusätzlich haben wir wertvolle Erfahrungen über die Aufbereitung von Videos erhalten, um Gesundheitsinformationen an möglichst viele Personen zu verbreiten.“
Präsentation bei den Special Olympics
Die Videos sind jetzt auf der Projekthomepage www.foerderges.hsbi.de/kompetenzvideos-2/sowie auf Videoplattformen wie YouTube veröffentlicht und werden in den nächsten Monaten auf der Internetseite des Bundesministerium für Gesundheit Informationen zu Ihren Gesundheitsfragen (https://gesund.bund.de/) eingebunden. Die Ergebnisse des Projekts sollen auch in den nationalen Aktionsplan für Gesundheitskompetenz des Bundesgesundheitsministeriums einfließen.
"Dein Körper und Du": Eines der insgesamt acht Kompetenzvideos
Besonderes Publikum werden die Videos dann im Juni bei dem Global Forum for Inclusion der Special Olympics World Games (SOWG), die Weltspiele der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, in Berlin haben. Dort wird das Forschungsprojekt und die Filme im Rahmen einer internationalen Konferenz als Beispiel für ein gelungenes Inklusionsprojekt präsentiert. (she)