Lineare vs. Zirkuläre Wertschöpfungskette

Take-Make-Waste

Der Großteil der aktuellen Wirtschaftsstrukturen in Deutschland, aber auch vieler anderer Länder, orientieren sich an dem Prinzip „Take-Make-Waste“. Dieses Prinzip beschreibt eine lineare Wertschöpfungskette, die mit der Rohstoffgewinnung (Take) startet, mit der Herstellung (Make) und Nutzung weitergeht und in Abfall (Waste) endet. Das führt dazu, dass am Ende der Lebensdauer eines Produktes wertvolle Rohstoffe verloren gehen [1]. Erste Versuche der Kreislaufschließung zielen auf die Verwertung von Abfällen ab und werden bis auf einige Ausnahmen durch ein Downcycling oder eine energetische Verwertung von Abfällen repräsentiert (vgl. Begriff Kreislaufwirtschaft in der Einführung Circular Economy). Dies führt auf lange Sicht zu einem Mangel an Rohstoffen und einer starken Umweltbelastung. Insgesamt bringt es verheerende gesundheitliche, ökologische sowie ökonomische Folgen mit sich. Hierzu ein paar beispielhafte Zahlen und Fakten:

Anhand des „Earth-Overshoot-Day“ wird jährlich der Tag ermittelt, an dem die ökologischen Ressourcen, welche der Planet innerhalb eines Jahres regenerieren kann, von den Menschen aufgebraucht wurden. 2023 fiel dieser Tag bereits auf den 2. August [2].

Lineare Wirtschaft
Eigene Darstellung der Struktur einer linearen Wirtschaft mit dem Prinzip Take - Make – Waste.

Emission Gap

Das „Emission Gap“ beschreibt die Differenz zwischen dem THG-Emissionsniveau, das benötigt wird, um die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius bzw. idealerweise auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken und dem THG-Emissionsniveau auf Grundlage der aktuellen Wirtschafts- bzw. Lebensweise. Laut dem Circularity Gap Report 2021 werden allein 70 Prozent der weltweiten THG-Emissionen durch Gewinnung, Transport, Verarbeitung und Nutzung von Materialien hervorgerufen. Kommt es nicht zur Veränderung der Strukturen, könnte die Temperatur bis zum Jahr 2100 auf bis zu 3,2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigen [3]. 3 Grad Celsius bedeuten eine gravierende Veränderung der Welt. Konsequenzen sind z. B. zunehmende Extremwetterereignisse, der Anstieg des Meeresspiegels, zunehmende Biodiversitätsverluste und Gesundheitsrisiken durch höhere Temperaturen sowie Luftverschmutzung [4] [5] [6] [7].

Am Beispiel von Kunststoffprodukten wird die Problematik der linearen Wirtschaft besonders deutlich: Weltweit werden mehr als 200 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr erzeugt. Aufgrund mangelnder Infrastrukturen werden durchschnittlich 41 Prozent dieser Kunststoffabfälle falsch behandelt. Dies führt unter anderem dazu, dass jährlich mehr als 11 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozean gelangen [8].

Hinzu kommt, dass in der Praxis traditionell nur ein Teil der Wertschöpfungskette betrachtet wird, der lediglich die Prozessschritte in Herstellung und Vertrieb behandelt und nicht darüber hinausgeht. Selten wird ein Service während der Nutzungsdauer einbezogen. Im linearen System stellt die Wertschöpfungskette aus Unternehmenssicht nur die „zusammenhängenden Unternehmensaktivitäten des betrieblichen Gütererstellungsprozesses“ dar [9].

Mit Zirkularität dem Wertverlust entgegenwirken

Doch: Alle Prozesse nach dem Wertaufbau bis zur Nutzung eines Produktes sind in einem linearen System mit einem Wertverlust behaftet. Im Gegensatz dazu wird durch unterschiedliche Mechanismen, wie Reparatur und Wiederverwendung, im Rahmen einer Circular Economy angestrebt, diesem Wertverlust entgegenzuwirken. Dieser Prozess wird mit dem Value Hill visualisiert [10]. In der Abbildung wird der Value Hill einer linearen Wirtschaft dem einer zirkulären Wirtschaft gegenübergestellt.

Value Hill
Eigene Darstellung des Value Hills einer linearen und einer zirkulären Wirtschaft basierend auf Achterberg et al. [10]

Allgemein sollen durch eine zirkuläre Wertschöpfung vielschichtige Mehrwerte geschaffen werden, welche sich den drei Säulen der Nachhaltigkeit zuordnen lassen: „Ökonomie“, „Ökologie“ und „Soziales“. Die Triple Top Line beschreibt hierbei ebenfalls den Ansatz positive Auswirkungen zu schaffen, anstatt negative Auswirkungen nur zu reduzieren (vgl. Tripple Bottom Line) und kann beim Produktdesign für die Optimierung von Mehrwerten genutzt werden [11]. Zu einem gesellschaftlichen Mehrwert zählen z. B. höhere Lebensqualität, Menschenrechte, gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Wirtschaftliche Mehrwerte können unter anderem Kostenreduktionen, Risikominimierung und Innovationsfähigkeit sein. Ein ökologischer Mehrwert kann z. B. durch die Bindung von Kohlenstoffdioxid (CO2), die Förderung von Biodiversität, saubere Luft und Böden sowie sauberes Wasser beschrieben werden [12]. Der Circularity Gap Report 2021 beschreibt bespielweise, dass eine zirkuläre Wirtschaftsweise das Potential besitzt, einen 70 prozentigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der Vereinten Nationen zu leisten [3].

Die gesamte Wertschöpfungskette im Blick

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Grundlage für die Schließung von Kreisläufen ist somit die umfangreiche Betrachtung eines Produktes mit den Aspekten der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette inklusive der verschiedenen Einflussfaktoren. Aus Sicht des Produkts wird die Wertschöpfungskette entsprechend um die vorgelagerte Rohstoffgewinnung, Material und ggf. Teileherstellung sowie die nachgelagerte Nutzung und Verwertung am Nutzungszeitende erweitert. Ein Unternehmen steht demzufolge mit seinen Angeboten in einer Wertschöpfungskette von vielen Beteiligten und Einflussfaktoren. Supply Chain Management bezeichnet in diesem Kontext den Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten (Material- und Informationsflüsse) über den gesamten Wertschöpfungsprozess, ausgehend von der Rohstoffgewinnung über die Veredelungsstufen bis hin zum Endverbraucher und darüber hinaus. Dieses sind Mechanismen, die die Zusammenarbeit in der Lieferkette organisieren. Hierzu gehören die Informationsebenen und die Materialebene [9].

Die Analyse der Wertschöpfungskette ist der erste Schritt, um im Rahmen einer anschließenden Bewertung die für das Unternehmen wichtigen und beeinflussbaren Handlungsfelder zu identifizieren. Im zweiten und dritten Schritt ist es wichtig den weiteren Kontext, beispielsweise hinsichtlich einer Zukunftsprognose, und die Ansprüche der relevanten Stakeholdergruppen zu analysieren [13].

Quellen

[1] Osann, I.; Mattheis, H.; Götzenbrugger, R. Workbook Kreislaufwirtschaft: Innovationen entwickeln - Transformation gestalten Mit Methoden, Tools und Checklisten; Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2021.

[2] Global Footprint Network. Earth Overshoot Day home - #MoveTheDate. https://​overshoot.footprintnetwork.org​/​ (zuletzt geprüft am 22.02.24).

[3] Haigh, L.; Wit, M. de; Daniels, C. von; Colloricchio, A.; Hoogzaad, J. THE CIRCULARITY GAP REPORT 2021: Solutions for a linear world that consumesover 100 billion tonnes of materials and has warmed by 1-degree. https://​www.circularity-gap.world​/​2021​#downloads (zuletzt geprüft am 05.08.24).

[4] Wuebbles, D. J.; Fahey, D. W.; Hibbard, K. A.; Dokken, D. J.; Stewart, B. C.; Maycock, T. K. Climate Science Special Report: Fourth National Climate Assessment, Volume I, 2017.

[5] IPBES. Summary for policymakers of the global assessment report on biodiversity and ecosystem services. S. Díaz, J. Settele, E. S. Brondízio, H. T. Ngo, M. Guèze, J. Agard, A. Arneth, P. Balvanera, K. A. Brauman, S. H. M. Butchart, K. M. A. Chan, L. A. Garibaldi, K. Ichii J. Liu, S. M. Subramanian, G. F. Midgley, P. Miloslavich, Z. Molnár, D. Obura, A. Pfaff, S. Polasky, A. Purvis, J. Razzaque, B. Reyers, R. Roy Chowdhury, Y. J. Shin, I. J. Visseren-Hamakers, K. J. Willis, C. N. Zayas, 2019.

[6] Robert Koch Institut. Klimawandel und Public Health in Deutschland – Eine Einführung in den Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit 2023; Robert Koch Institut, 2023. https://​www.rki.de​/​DE/​Content/​Gesundheitsmonitoring/​Gesundheitsberichterstattung/​GBEDownloadsJ/​Focus/​JHealthMonit_​2023_​S3_​Einfuehrung_​Sachstandsbericht_​Klimawandel_​Gesundheit.html (zuletzt geprüft am 07.11.24).

[7] IPCC. Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Core Writing Team, H. Lee and J. Romero; IPCC, 2023.

[8] WWF International; Dalberg. PLASTICS: THE COSTS TO SOCIETY, THE ENVIRONMENT AND THE ECONOMY; WWF International, Dalberg, 2021. https://​www.wwf.de​/​fileadmin/​fm-​wwf/​Publikationen-​PDF/​Plastik/​WWF-​PCSEE-​Report-​Plastics-​the-​Costs-​to-​Society-​the-​Environment-​and-​the-​Economy.pdf (zuletzt geprüft am 05.08.24).

[9] Dr. Th. Gabler GWV Fachverlage GmbH. GABLER KOMPAKT-LEXIKON Wirtschaft, 9. Auflage; Gabler Verlag, 2006.

[10] Achterberg, E.; Hinfelaar, J.; Bocken, N. MASTER CIRCULAR BUSINESS WITH THE VALUE HILL, 2016. https://​www.circle-economy.com​/​resources/​master-​circular-​business-​with-​the-​value-​hill (zuletzt geprüft am 09.08.24).

[11] William McDonough. Design for the Triple Top Line. https://​mcdonough.com​/​writings/​design-​triple-​top-​line/​ (zuletzt geprüft am 01.03.24).

[12] Schoden, F.; Knefelkamp, D.; Schnatmann, K.; Schwenzfeier-Hellkamp, E. Circular Economy – Mehrwerte für Unternehmen, Bericht CirQuality OWL. https://​www.hsbi.de​/​ium/​ites/​zirkulaere-​wertschoepfung (zuletzt geprüft am 05.08.24).

[13] Biermann, B.; Erne, R. Nachhaltiges Produktmanagement: Wie Sie Nachhaltigkeitsaspekte ins Produktmanagement integrieren können; Springer Gabler, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, 2020. DOI: 10.1007/978-3-658-31130-8.