Der Forschungsschwerpunkt „Erkenntnisformen der Fotografie“ der FH Bielefeld veranstaltete das 36. Bielefelder Fotosymposium.
Bielefeld (fhb). Die Bildpraktiken des Raumes standen beim diesjährigen 36. Bielefelder Fotosymposium der Fachhochschule (FH) Bielefeld im Mittelpunkt. Am Donnerstag, 30. November, tauschten sich auf Einladung des Forschungsschwerpunkts „Erkenntnisformen der Fotografie“ die Künstler Susa Templin, Corinna Schnitt, Arwed Messmer, Tobias Hantmann und Aglaia Konrad mit rund 100 Studierenden des Fachbereichs Gestaltung sowie externen Gästen aus.
Im Schwerpunkt des Interesses aller Vortragenden stand der Raum. Die Arbeiten der Referentinnen und Referenten reichten von klassischen Fotografien über raumgroße Installationen bis zur Videokunst. So zeigte Susa Templin anhand älterer Arbeiten, wie sie ihr „Lebensthema Raum“ während eines Aufenthalts in New York gefunden hatte. In ihrem kleinen Apartment dort entstanden erste Raummodelle, die sie - wieder zurück in Deutschland - fortsetzte. Ein Raum wurde fotografiert, ein Raummodell gebaut, mit Ausdrucken der Bilder versehen und anschließend wieder fotografiert. „In den Ausstellungen habe ich Bilder und Modelle in Kombination gezeigt“, so Templin . Der Umbau ihres eigenen Ateliers, bei dem sie gelernt hatte „Wände und Decken einzureißen“, begründete den Wechsel ins Große: „Fortan arbeitete ich in begehbaren Räumen“, so Templin. Dazu gehörte auch die Reihe „Triangle of need“, in der sie anhand von riesigen Rahmen Grundrisse ihrer ehemaligen Wohnungen darstellte und um doppelbelichtete Bilder von Räumen erweiterte. Wichtig dabei war, die Bilder unter Glas zu zeigen. „So spiegeln sich Betrachter und der Raum dahinter in den Doppelbelichtungen und man weiß nicht, wo das Bild anfängt“, erklärte Templin.
„Nach welchen Kriterien man sich einrichtet und wie Außenraum gestaltet wird“, betrachtet dabei beispielsweise Corinna Schnitt. In ihren Kurzfilmen setzt die Professorin der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig auf Gegensätze, indem sie beispielsweise ältere Menschen in einem Einrichtungshaus mit modischen Möbeln filmt oder eine Ferienhaussiedlung mit einem Bild des holländischen Malers Jan Vermeer verbindet.
Raum als Wohnraum und Zelle von Mitgliedern linksterroristischer Gruppierungen der 1970er Jahre ist ein wesentlicher Bestandteil der Archivarbeit Arwed Messmers. Nicht aufgearbeitetes Foto- und Filmmaterial zur RAF und Gruppe des 2. Juni präsentierte Messmer im Rahmen von Buchprojekten und Ausstellungen. Diese Form der visuellen Rekonstruktion von Vergangenheit ermöglicht nicht nur einen neuen Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik, sondern eröffnet auch die erkennungsdienstlichen Bildpraktiken polizeilichen Staatsschutzes.
Das Verhältnis von Bild und Bildträger steht im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit Tobias Hantmanns. Über Malerei und Zeichnung und ihre Bildträger von Papier und Leinwand kam er zu Veloursteppichen, in die er Bildmotive kämmte. Die Fotografie dient dabei der Projektion der figurativen Bildmotive auf die Teppiche. Wie nuanciert Hell- und Dunkelwerte in das Material des Teppichs übertragen werden können, um die Bildgegenstände plastisch erscheinen zu lassen, zeigen Krippenszenen und Tierdarstellungen Hantmanns. Der Mobilität von Bildern stellte sich Hantmann, indem er das in einen Teppich gekämmte Bild des Marktplatzes von Freudenstadt an sein Auto montierte und mit ihm auf Reisen ging. Die Frage aus dem Publikum, ob der Künstler das Bild oder ob nicht vielmehr das Bild den Künstler ausgeführt hätte, blieb offen.
Der architektonische Raum in seiner Materialität und als utopisches Versprechen neuer Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens ist Gegenstand der fotografischen und filmischen Arbeit der in Brüssel lebenden Künstlerin Aglaia Konrad. In vielen ihrer Arbeiten setzt sie sich mit der brutalistischen Architektur der Moderne auseinander. Einen Überblick über ihren architekturfotografischen, Aspekte der Geologie, Mineralogie und Gedächtniskünste einbeziehenden Ansatz bot sie mit einem virtuellen Rundgang durch ihre im belgischen Museum Leuven gezeigte Ausstellung „From A to K“. Die Übersetzungen von Architektur in Bild und Spolie, Film und Installation bildeten einen eigenen Reflexions- und Gedächtnisraum des in der Gegenwart für die Zukunft Gebauten aus.