13.07.2023

Auf Umwegen zur Gründung: HSBI-Absolvent Jonathan Dertenkötter will mit seiner Firma aktiv den Ausbau erneuerbarer Energiesysteme vorantreiben.

drei Personen blicken auf ein Haus mit Photovoltaikanlage auf dem Dach
Egal ob Neubau oder Bestandsimmobilie, Gewerbe oder privat: Nachhaltige Energiesysteme sind überall stark nachgefragt. © P. Pollmeier/HSBI
Ein Elektroauto steht vor einem Gebäude
Der Fuhrpark des Unternehmens ist komplett elektrisch. © P. Pollmeier/HSBI
Jonathan Dertenkötter und Tim Sperlich arbeiten im Lager an einem Zähleschrank
Zurzeit hat SE Solutions ein Lager in Sennestadt angemietet. © P. Pollmeier/HSBI
eine Person verbaut eine Verteilung in einem Zählerschrank
Hier wird eine Verteilung in einem Zählerschrank verbaut. © P. Pollmeier/HSBI
Tim Sperlich arbeitet an einer Wallbox
Tim Sperlich bei der Installation einer Wallbox. © P. Pollmeier/HSBI
drei Männer stehen im Rohbau eines alten Gebäudes
In dieser ehemaligen Scheune entstehen neue Büroräume und eine Elektronikwerkstatt für die SE Solutions GmbH – selbstverständlich mit erneuerbaren Energiesystemen ausgestattet. © P. Pollmeier/HSBI
Mehr Sonnenstrom für OWL – dieses Ziel verfolgt Jonathan Dertenkötter mit seinem 2022 gegründeten Unternehmen „SE Solutions GmbH“. Ein praxisintegriertes Elektrotechnik-Studium, der Master Integrierte Technologie und Systementwicklung (ITSE) und weitere Angebote der Hochschule Bielefeld (HSBI) erleichterten ihm den Weg zur Gründung.

Minden (hsbi). SE Solutions steht für Sustainable Energy – unter dieser Firmierung bietet Jonathan Dertenkötter mit seinem Team Lösungen für nachhaltige Energiesysteme an. Konkret konzipiert, plant und baut der Ingenieur der Elektrotechnik, der am Campus Minden der HSBI studiert hat, Photovoltaikanlagen bis 1000 kW und nimmt diese in Betrieb. Auf Wunsch auch direkt mit der neuen Wärmepumpe, einer Ladestation und dem entsprechenden Energiemanagementsystem. Und das sowohl für Ein- oder Mehrfamilienhäuser als auch für Gewerbebetriebe oder eine Mischung aus beidem. Gewerbliche und öffentliche Auftraggeber berät er zudem auf dem Weg zu ganzheitlichen, nachhaltigen Energielösungen.

Strom aus Sonnenergie zu gewinnen, ist nicht erst seit dem Ukraine-Krieg stark nachgefragt. Für immer mehr Privathaushalte und Unternehmen sind Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit ebenso wichtig wie eine auf Dauer kostengünstige und unabhängige Energieversorgung. Die Bundesregierung setzt zudem im Rahmen der Überarbeitung der EEG-Einspeisevergütungssätze und des Jahressteuergesetzes 2022 sowie mit Förderprogrammen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene hohe Anreize für den Wechsel von Gas- oder Ölheizungen zu Wärmepumpen in Verbindung mit Photovoltaik oder Solarthermie. Und die aktuelle Heizungsdebatte um das Verbot von Öl- und Gasheizungen ist in aller Munde.

Detailaufnahme Photovoltaik-Module
Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen ist ungebrochen.

Photovoltaiknutzung selbst vorleben

„Die Technologien sind da, wir müssen sie nur endlich nutzen“, so der 28-Jährige. Und weil es momentan auch an den Fachleuten zur Umsetzung fehlt, hat er sich für die Gründung von SE Solutions entschieden. „Mit einer PV-Anlage macht dann auch ein Elektrofahrzeug richtig Spaß“, berichtet der überzeugte Teslafahrer. „Wir haben unseren Fuhrpark rein elektrisch aufgebaut, mit aktuell zwei Nutzfahrzeugen und fünf PKW als Vertriebsfahrzeugen. Es gibt entsprechende Fördermittel und wir stehen zu 100 Prozent hinter unserer Mission. Ich kann nicht mit dem Diesel zum Kunden fahren und etwas über erneuerbare Energiesysteme und Ladeinfrastruktur erzählen, es aber selbst nicht vorleben“, so Dertenkötter.

Ein Weg mit vielen Wendungen

Der Weg zur Gründung des Unternehmens war jedoch einer mit einigen Stopps und Wendeschleifen: Nach der Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton beim Südwestfunk verschlug es den gebürtigen Thüringer auf der Suche nach einem dualen Elektrotechnik-Studium zur Bielefelder Firma Goldbeck und zum Campus Minden der HSBI. Im dortigen praxisintegrierten Studium wechseln sich zwölfwöchige Theoriephasen an der Hochschule mit elfwöchigen Praxisphasen im Unternehmen ab. „Das Konzept hat mich überzeugt, weil Theorie und Praxis ideal ineinander greifen“, so der junge Familienvater.

Ein Hausdach mit Photovoltaikmodulen
Nur über Mundpropaganda und dank erster Referenzprojekte füllten sich die Autragsbücher schnell. © P. Pollmeier/HSBI

Während des Studiums warf ihn ein tragischer Kletterunfall aus der Bahn, Dertenkötter ist seitdem querschnittsgelähmt. „Immerhin kann ich inzwischen wieder an Krücken ganz gut gehen“. Trotz langer Krankenhausaufenthalte, zahlreicher Operationen und Rehas beendete er das Studium 2020 als Jahrgangsbester. Dann schrieb er sich in den Master Integrierte Technologie- und Systementwicklung (ITSE) ein, ebenfalls am Campus Minden. Hier wählte er immer wieder Themen, bei denen es um erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme ging.

Als die Kommunikationsabteilung der Hochschule über ein von ihm mitentwickeltes Tool zur wirtschaftlichen Bewertung und richtigen Auslegung von Ladeinfrastruktur, erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen, Speichersystemen und Netzanschlüssen recherchierte, fragte ihn die Redakteurin, ob er nicht ein Unternehmen gründen möchte. Darüber hatte er auch schon nachgedacht, ihm fehlte es aber an Know-how und Risikobereitschaft zum Gründen. Da empfahl ihm die Redakteurin das Center for Entrepreneurship (CFE) der HSBI, das Gründungsinteressierte begleitet und coacht.

Unterstützung durch Professoren und das CFE

Gesagt, getan: Schnell hatte der Masterstudent eine starke Beratungskompetenz im Rahmen des CFE-Inkubator-Programms vermittelt bekommen. In Kombination mit dem ITSE-Master entwickelte er seine Gedanken rund um die dezentrale Verwaltung und Steuerung von erneuerbaren Energiesystemen weiter. „Im Modul Engineering von Informationssystemen haben wir eine Energieanlagenregelungssoftware als verteiltes System für Gebäudekomplexe auf Mittelspannungsebene konzipiert und auf den Stand eines Proof-of-Principles gehoben“, so Dertenkötter. Unter Proof of Principle kann man ein sehr detailliertes Konzept verstehen, das aber noch nicht in der Praxis umgesetzt wurde. Im Sommer 2022 stellte er einen Antrag in der EXIST-Forschungstransfer-Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Vorhaben, diese Software kommerziell weiterzuentwickeln und im Rahmen eines Proof-of-Concepts, also der tatsächlichen Umsetzung, in den Praxiseinsatz zu bringen. „Das war eine Hochrisikogeschichte, denn Softwareentwicklung bindet viele Ressourcen und hätte uns nur für die ersten zwei Jahre rund 1,5 Millionen Euro gekostet.“ Einen solchen Antrag zu stellen, geht im Übrigen weit über das Ausfüllen von Formularen hinaus. „Ich musste das gesamte Vorhaben genauestens umschreiben. Das war ein immenser Aufwand“, so der Gründer. „Die Professoren vom Campus Minden, insbesondere Prof. Wetter, Prof. von Uthmann, Prof. Wette und Prof. Battermann haben uns neben dem CFE in endlosen Sessions unterstützt, wo es nur ging. Ohne diesen fachlichen Support wäre das unmöglich gewesen.“

Der Antrag wurde jedoch nicht bewilligt, „mit Argumenten, die wir mit Blick auf die Förderrichtlinie nicht hätten abbilden können. Dafür hätten wir noch zwei Jahre Vorlauf und ein quasi fertiges Produkt gebraucht – und dafür wäre dann auch der Sinn der Förderung in Bezug auf den Entwicklungsstand nicht mehr gegeben gewesen“, so sein Resümee.

drei Männer stehen vor einem Kornfeld
Das SE-Solutions-Kernteam (v.l.): Tim Sperlich, Jonathan Dertenkötter und Lewin Esken.

Dertenkötter schloss vorerst mit dem Thema Forschungstransfer-Förderung ab und entschied sich, die SE Solutions GmbH zu gründen. Im September 2022 offiziell gegründet und eingetragen, lag das Auftragsvolumen Anfang 2023 bereits im siebenstelligen Bereich, „und das nur über Mundpropaganda und dank erster Referenzprojekte, die wir schon im Voraus über einige Kooperationen realisieren konnten“, so der Jungunternehmer.

Die hohe Nachfrage gab Jonathan Dertenkötter recht und er holte sich mit Tim Sperlich, HSBI-Absolvent des Bachelors Regenerative Energien, einen Kompagnon in seinen Betrieb, der die perfekte Vorerfahrung durch seine vorgelagerte Ausbildung gepaart mit einigen Jahren Berufserfahrung im operativen Projektgeschäft bei einem etablierten Hersteller von Ladeinfrastruktur- und Backendlösungen mitbringt. Auch andere studentische Wegbegleiter haben Interesse gezeigt und sind mittlerweile fester Bestandteil des Teams von SE Solutions. Zusammen wollen sie nun durchstarten und für mehr Sonnenstrom in OWL und Thüringen sorgen, und bestimmt auch bald darüber hinaus. (vku)

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