31.05.2019

Ältere Konsumentinnen und Konsumenten in den Blick nehmen

Prof. Dr. Gerald Oeser forscht an der FH Bielefeld zum Thema Konsumverhalten

Bielefeld (fhb). „Warten Sie, ich habe es passend“, langsam wird das Kleingeld abgezählt, und als die nächste Kundin ihren Einkaufswagen an der Kasse platzieren will, muss der Kunde davor erst noch die restlichen Einkäufe einpacken. Über ältere Konsumentinnen und Konsumenten und ihr Einkaufsverhalten herrschen teilweise veraltete Klischees. Sie seien langsam, gebrechlich und „Pfennigfuchser“. Das wird der Lebenswirklichkeit dieser sehr heterogenen Gruppe jedoch nicht gerecht. Lange Zeit wurde diese Konsumentinnen- und Konsumentengruppe auch von den Wirtschaftswissenschaften vernachlässigt und ihr Konsumverhalten wenig erforscht. Prof. Dr. Gerald Oeser von der Fachhochschule (FH) Bielefeld hat gemeinsam mit Forschenden anderer Hochschulen diese Bevölkerungsgruppe und ihr Einkaufsverhalten näher untersucht. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift „International Journal of Retail & Distribution Management“ veröffentlicht.

Oeser lehrt am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der FH Bielefeld in dem Gebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (BWL), Produktions- und Logistikmanagement. Für diese Forschung wurden mehr als 1.200 Personen aus Deutschland ab 65 Jahren befragt und Fokusgruppeninterviews mit Seniorinnen und Senioren unter anderem in Altenheimen und Freizeittreffs geführt, um mehr über ihr Konsumverhalten zu erfahren.

„Das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung steigt immer weiter an“, betont Oeser. „Deutschland hat die drittälteste Bevölkerung der Welt nach Japan und Italien. Deshalb wird die Zielgruppe der Älteren auch für die Wirtschaft immer wichtiger.“ Dabei spielten Lebensmittel und der Lebensmitteleinkauf auch im Leben Älterer eine wichtige, auch soziale Rolle. „Zudem sind die Bedürfnisse und Wünsche älterer Lebensmittelkonsumierender sehr heterogen und unterscheiden sich von der jüngeren Zielgruppe.“

Professor Oeser und seine Kolleginnen und Kollegen anderer Hochschulen entwickelten auf der Grundlage ihrer Befragung sieben Gruppen älterer Lebensmitteleinkäuferinnen und -einkäufer. Die Aufteilung hat den Vorteil, dass diese Gruppen zum Beispiel besser durch Lebensmittelhersteller und -händler angesprochen und mit geeigneten Produkten und Dienstleistungen versorgt werden können.

Ein Beispiel für diese Gruppen ist die der „serviceorientierten Lebensmittelkonsumierenden“. Diese leben meist in Großstädten mit einer anderen Person im Haushalt zusammen, verfügen über das höchste Einkommen, geben am meisten für Lebensmittel aus und bevorzugen Selbstbedienungswarenhäuser. „Sie sind die gesündesten, neugierigsten, sozialsten, aktivsten, serviceorientiertesten, unabhängigsten und Internet- und Smartphone-affinsten älteren Lebensmittelkonsumierenden“, erläutert Oeser und empfiehlt: „Der Lebensmitteleinzelhandel sollte dieser Zielgruppe exklusive Produkte hoher Qualität und Produktberatung bieten, zum Beispiel zu Weinen, exotischen und funktionellen Lebensmitteln sowie Rezepten.“

Dass die Gruppen untereinander sehr unterschiedlich sein können, zeigen dazu im Vergleich die „apathischen“ oder auch „gleichgültigen Lebensmittelkonsumierenden“. Diese seien hauptsächlich Männer aus Kleinstädten, die meist im Discounter einkaufen und am zweitwenigsten für Lebensmittel ausgeben. Oesers Empfehlung lautet hier: „Der Lebensmitteleinzelhandel sollte diese Zielgruppe durch leicht erreichbare Verkaufsstellen, genügend Parkplätze, bequeme, zügige und soziale Einkaufserlebnisse und eventuelle Heimanlieferungen bei gesundheitlichen Einschränkungen unterstützen. Informationen in Form von Abbildungen zusätzlich zu Texten könnten für diese Zielgruppe hilfreich sein.“

Die renommierte Fachzeitschrift „International Journal of Retail & Distribution Management“, in dem Oesers gemeinsamer Artikel erschienen ist, legt besonderen Wert darauf, mit internationalen Autorinnen und Autoren zusammenzuarbeiten. Neben Beiträgen aus Deutschland und Europa, werden dort auch Artikel aus Amerika, Asien, Afrika, Australien und Neuseeland publiziert. Der Artikel mit dem Titel „Segmenting elder German grocery shoppers based on shopping motivations“ ist online unter www.emeraldinsight.com/doi/full/10.1108/IJRDM-02-2018-0033 abrufbar.