Vortrag von Professorin Dr. Ulrike Detmers: Geschlechterdemokratie wird zum Schlüsselfaktor unternehmerischen Erfolgs im internationalen Wettbewerb
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich heiße Sie herzlich willkommen zum Personal-Management-Kongress "Geschäftserfolg durch Geschlechterdemokratie".
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Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer!
Erstens lege ich knapp dar, welche Merkmale Geschlechterdemokratie in der Wirtschaft kennzeichnen:
- Rollenliberalisierung
- Positionsgerechtigkeit
- Vergütungsgerechtigkeit.
Zu 1. In der Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft der 1. Dekade des 21. Jahrhunderts gibt es kein traditionelles Rollenverständnis mehr. Relevant sind Leistungs- und ErfolgsträgerInnen.
Zu 2. Die männliche Monokultur leitender Angestellter entwickelt sich zu einer Geschlechterkultur.
Zu 3. Qualifikation zahlt sich für Frauen und für Männer aus. Frauen mit Fachhochschulabschluss verdienen heute im Westen nur 69 Prozent dessen, was Männer mit der Ausbildung erreichen (Bericht der Financial Times Deutschland unter Bezugnahme auf eine Studie des Bundesfrauenministeriums, 26.10.01, S. 12, "Akademikerinnen verdienen im Vergleich zu Kollegen schlecht").
Zweitens präsentiere ich Ihnen Motive, die meine Behauptung fundieren sollen, Geschlechterdemokratie werde zum Schlüsselfaktor unternehmerischen Erfolgs im internationalen Wettbewerb:
1. Motiv Lassen Sie mich mit einer Frage beginnen: Welche Beziehungen existieren zwischen der Meldung, dass Deutschland im vergangenen Jahr zweitgrößter Exporteur der Welt war und den unheilvollen Ergebnissen der IW-Umfrage (Institut der deutschen Wirtschaft) 2001 "Fachkräftebedarf, Fachkräftemangel und Lösungsansätze"? Bei annähernd zwei Dritteln der im Frühjahr 2001 befragten Firmen mit offenen Stellen waren die angebotenen Arbeitsplätze seit mehr als drei Monaten vakant, also unbesetzt. Die Unternehmen befürchten insbesondere folgende nachteilige Auswirkungen:
- Gefährdung des Wachstums und der Konkurrenzfähigkeit
- Internationale Wettbewerbsnachteile
- Ablehnung neuer Aufträge
- Innovationsstau.
Die Antwort lautet, dass die weltweit drohende Verknappung an kompetenten Fach- und Führungskräften zu einer Gefahr für unsere Exportkraft werden könnte. In dieser Lage erhöht eine geschlechterdemokratische Wirtschaft ihre Anziehungskraft.
2. Motiv Frauen haben seit der Legitimation, elitäre (männliche) Bildungsinstitutionen zu besuchen, ein hochwertiges berufsorientiertes Qualifikationsniveau erreicht. Durch organisches Wachstum differenzieren sich die Anteile männlicher wie weiblicher Studierender in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften kaum noch. Eine Allianz strategischer Förderer ist aktiv in puncto Steigerung des Anteils an Frauen in den Ingenieurwissenschaften. Das weibliche technisch-naturwissenschaftliche Potential ist im internationalen Vergleich noch unausgeschöpft.
3. Motiv Weibliches Erwerbspotenzial ist in Deutschland noch nicht voll erschlossen. In den skandinavischen Ländern sind 70 Prozent der Frauen erwerbstätig, in Deutschland 57 Prozent.
4. Motiv In der individualisierten Gesellschaft entwickelt sich ein neues Rollenverständnis der Geschlechter. Aktive Vaterschaft ist ein Spaßfaktor, Harmonisierung von Beruf und Familie ein Zufriedenheitsmacher und beruflicher Motivator.
5. Motiv Durch die Vereinbarung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung vom 2.7.01 "zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" gerät die Wirtschaft unter Zugzwang.
Drittens widme ich mich strategischen Ansatzpunkten zur Förderung eines geschlechterdemokratischen Unternehmens:
1. Ansatzpunkt Verankerung des Paradigmas in der Unternehmensverfassung Meine Damen und Herren, "Wer schreibt der bleibt." Das strategische Ziel gehört in die Unternehmensverfassung, damit jeder im Unternehmer weiß, wie der Wind zu wehen hat. Geschlechterdemokratie muß als Paradigma ganzheitlich verankert sein und darf nicht dem Zufall überlassen werden. Ein konkreter Ordnungsrahmen definiert die Richtung und hilft, Reibungsverluste in Grenzen zu halten.
2. Ansatzpunkt: Geschlechterdemokratisches Personalmarketing Aktionsbereiche:
- Flexibilisierung der Arbeitszeit
- Mobilisierung des Arbeitsorts
- Offene Informations- und Kommunikationspolitik
- Führungskompetenz
- Gerechte Personalentwicklung
- Betriebliche Dienste zur Harmonisierung von Beruf und Familie.
Zu 1. Die ganzheitliche Nutzung der Kompetenzen von Frauen und Männern ist aufgrund der Verknappung von Humankapital unabdingbare Voraussetzung steigender Wettbewerbskraft. Flexible Arbeitszeiten schaffen die Voraussetzung, betriebliche Erfordernisse und individuelle Lebens- und Berufskonzepte qualifizierter Frauen und Männer in Einklang zu bringen. De facto schafft zukünftig erst diese Harmonisierung den Zugang zur knappen Ressource Qualifikation.
Zu 2. In der Informationsgesellschaft ist es möglich, den Arbeitsort zu mobilisieren. Die Autoren einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie empfehlen:
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- alternierende Telearbeit
- Arbeit von zu Hause
- Mobile Telearbeit
- Internationale Tätigkeit ohne Umzug
- Teleheimarbeit
- Vermittlung von Fahrgemeinschaften (Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.); Wettbewerbsvorteil Familienbewusste Personalpolitik. Ein Leitfaden für Unternehmen)
- Mobilität am Arbeitsort durch
- Fahrtzeiten reduzieren bzw. aktiv nutzen
Zu 3. Eine faire und inhaltlich umfassende Informations- und Kommunikationspolitik macht es möglich, trotz verringerter wöchentlicher Arbeitszeit effektives Arbeiten zu ermöglichen. Produktivitätsanalysen ziehen übrigens das Fazit, dass effektives, d.h. zielsicheres und -orientiertes Arbeiten nicht automatisch mit Vollzeittätigkeit verbunden ist.
Zu 4. Die amerikanischen Streitkräfte trainieren geschlechtlich gemischte Zusammenarbeit in Führungstrainings auf. Aufgrund der unterentwickelten männlich-weiblichen Führungskultur in Deutschland existiert in der Wirtschaft der Bedarf nach adäquaten Effizienztrainings. Übrigens: die geschlechtsbezogene Führungskultur ist in der amerikanischen Wirtschaft weiter entwickelt als bei uns.
Zu 5. Die Karriere leitender Angestellter hängt wesentlich von der Existenz effizienter Mentor-Protege-Beziehungen. Die Förderung einer geschlechterdemokratischen Unternehmenskultur muss auch bei dieser oftmals informellen Personalentwicklung ansetzen. Das Spitzenmanagement ist Motor der Personalentwicklung zur "mixed leadership"-Kultur.
Sehr geehrte Frau Prof. Höhler, ich habe den Begriff "mixed leadership" in Ihrem Buch "Wölfin unter Wölfen" gelesen und möchte es Ihnen überlassen, über den unternehmerischen Erfolgsfaktor zu referieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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