Zum Ende des Sommersemesters 2004 scheidet Professorin Ingrid Dörries-Höher aus dem Hochschuldienst aus. Sie vertritt noch bis zum Semesterende das Lehrgebiet Zeichnerische Darstellung und Malerei am Fachbereich Gestaltung.
Dr. Manfred Strecker, Leiter der Kultur- und Medienredaktion, schrieb hierzu in der Neuen Westfälischen Zeitung: Nichts gibt schärfer Ansporn als eine gehörige Portion Zweifel. Zweifel zum Beispiel an der Zukunft der Malerei. Solcher Zweifel geht auch mit Ingrid Dörries-Höher um. Gebremst hat sie das nie. Wenn nichts selbstverständlich erscheint, wäre um so mehr darum zu ringen.
Daraus zieht sie nicht nur für ihr eigenes künstlerisches Werk Vorteil, sondern davon profitieren auch ihre Studenten, die sie am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld unterrichtet - vielmehr: unterrichtet hat. Mit dem Ende des laufenden Sommersemesters lässt sich die Hochschullehrerin und Malerin emeritieren.
Seit 1974 ist Ingrid Dörries-Höher, geboren 1941 in Schloss Neuhaus, Professorin an der Bielefelder Fachhochschule. Obwohl diese nicht das Umfeld einer Kunstakademie bieten kann, hat die passionierte Malerin einige Studierende auf den Weg der Kunst gebracht. Natürlich: "Nach zwei Semestern ist man kein Maler." Wer sein Talent vertiefen wollte, blieb länger, bis zum Ende seines Studiums, machte den Malersaal im Gebäude an der Bielefelder Lampingstraße zu seinem zweiten Zuhause, um - gereift und durch die geduldige, auch fordernde Lehre von Ingrid Dörries-Höher ermutigt - anschließend eine Kunstakademie, oft die in Braunschweig, zu besuchen.
Was sich Ingrid Dörries-Höher zumutet, an Disziplin und ständiger visueller Fortbildung an den Großen der Malerei, schenkt sie auch ihren Studierenden nicht. Studienreisen bis zu drei Monaten führte sie an die Quellen, zur Renaissance-Malerei in Italien zum Beispiel; in Florenz besitzt sie seit langem ein Domizil. "Studienreisen", das weiß sie zu schätzen, "bieten Kunstgeschichte vor Ort."
Video-Filme über Kunst in der Hochschullehre dagegen können die unmittelbare Anschauung und die Auseinandersetzung - malend, kopierend vor den Meistern - nicht ersetzen. "Durch Videofilme werden die Studenten schlauer, sie malen aber nicht besser." Was man intellektuell von der Kunst erfährt, auch was man von ihr rezeptiv aufnimmt, beherrscht man deswegen noch lange nicht. Malerei - das ist für Ingrid Dörries-Höher ein Hand-Werk, manuell nur in kleinen Schritten zu erarbeiten. Ingrid Dörries-Höher hat selbst in Berlin studiert, Jahre später ihren Lehrer Bernhard Dörries geheiratet, der aber bereits 1978 gestorben ist. In seinem Schatten steht sie längst nicht mehr. Mit Vehemenz vertritt sie ihr Credo der Kunst. "Wir leben in einer sichtbaren Welt", sagt sie, "also gibt es nichts Abstraktes." Auch nicht in der Malerei. Die bildende Kunst ist Arbeit am Gegenstand. Dennoch bildet Ingrid Dörries-Höhers Malerei nicht ab. Eine paradoxe Gleichung macht sie auf: "Ein gutes gegenständliches Bild ist zugleich ein gutes abstraktes Bild." Was aber 'gut' ist in der Malerei, muss hohem Maßstab genügen. "Kunst, die man visuell vergisst, ist keine große Kunst." Also versucht der Maler, Werke zu schaffen, die treffen und bildhaft prägnant im Gedächtnis haften bleiben.
Die Moderne hat Ingrid Dörries-Höher erst spät entdeckt und durchdrungen. Jetzt huldigt sie den Großen des 20. Jahrhunderts, indem sie deren Farbpalette ins Zentrum einer Werkgruppe stellt. Die Palette, eine Gerätschaft der Künstler, ist ein farbfleckiges Ding, für Ingrid Dörries-Höher ein Spiegel des Malergenius. Die Farben auf der Palette, Abtönungen, Nuancen zeigen für sie in unbewusstem Ausdruck viel von Farbsinn und von der Sensibilität des Künstlers. Rund um die Palette - eines der großen Gemälde ihres 'Malerhimmels' - erkennt man an charakteristischen Motiven die Großen der neuen Zeit: Cézanne, Picasso, Matisse, Max Ernst.
Die Malerei wandelt sich mit den Erfahrungen Die Malerei wandelt sich mit den Erfahrungen, die man macht. Die Bilder der 80er Jahre, auf manchen Ausstellungen gezeigt: "Das bin ich nicht mehr." Heute lässt sich Ingrid Dörries-Höher mehr auf die Bilder ein, sie wartet ab, bis das Bild selbst bezeugt, worauf es hinauswill.
Viele ihrer Schüler dürften künstlerbiografische Wendungen bereits ebenfalls durchlitten und durchgestanden haben. Ingrid Dörries-Höher hat Schule gemacht. In Ostwestfalen-Lippe erinnert man sich aus bewegten Zeiten der wiedergefundenen Malerei in den 80er Jahren an die 'Gruppe Tür', getragen von einem stupenden Maler-Selbstbewusstsein.
Die überwiegende Zahl der Mitglieder, bekannte Namen hier, sind bei der Malerei geblieben. Sie werden erwartet, und angekündigt haben sich viele mehr aus der gesamten Republik, um am Montag, 5. Juli, am Bielefelder Fachbereich Gestaltung Abschied von der Hochschullehrerin zu feiern.