24.08.2007

Werkkunst. Kunst und Gestaltung in Bielefeld 1907 – 2007

Sie befand sich zwar nicht in der Burg wie die berühmte Kunstschule Burg Giebichenstein, aber zu Füßen der Sparrenburg: die 1907 gegründete Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld. Noch heute beeindruckt das 1913 errichtete Schulgebäude durch seine markanten Formen.

Zwischen Hannover und Dortmund lag ursprünglich der Einzugsbereich der Schule, die mit wesentlicher Unterstützung von Hermann Muthesius zustande kam und von Beginn an den Geist der Kunstgewerbereform um 1900 vertrat. Das Historische Museum hat in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld zum ersten Mal Geschichte und Leistung dieser Gestalterschule dargestellt. Hierzu gibt es im Historischen Museum in Bielefeld vom 14. Oktober 2007 bis zum 10. Februar 2008 einer Sonderausstellung. Die preußischen Handwerker- und Kunstgewerbeschulen hatten die Aufgabe, in gewerbereichen Städten durch ästhetische Erziehung des Handwerkernachwuchses die Produkte, nicht zuletzt für den Export, zu veredeln. In Bielefeld, der traditionsreichen Leinenstadt, stand zunächst die Textilindustrie im Mittelpunkt des Interesses. Daneben bot die Schule Abteilungen für angewandte Malerei, Grafik, Bildhauerei und Innenarchitektur an. Wilhelm Thiele, der erste Direktor, kam aus Dresden und zog aus der sächsischen Metropole weitere Künstler als Lehrkräfte nach: die äußerst vielseitige Entwerferin Gertrud Kleinhempel und den Glasmaler und Grafiker Karl Muggly. Erste Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Auf der Weltausstellung 1910 in Brüssel errang das von Thiele entworfene Direktorenzimmer der Schule eine Goldmedaille. An der Werkbund-Ausstellung in Köln 1914 beteiligte sich Bielefeld mit einem eigenen Raum, dessen originelle Gestaltung großen Anklang fand.Nach einer expressionistischen Phase Anfang der 1920er Jahre brachten neue Lehrkräfte den Anschluss an die zeitgenössische Avantgarde. Der junge Grafiker Georg Trump entwickelte ab 1926 eine eigenständige Spielart der Neuen Typografie, experimentierte mit der Fotografie und schuf mit der "City" seine erste, bemerkenswerte moderne Schrift. Die Innenarchitektur hatte mit Paul Griesser einen prominenten Vertreter, der sowohl "Aufbaumöbel" für die Serienproduktion als auch elegante Interieurs für Ozeandampfer entwarf. Griesser, der auch in der berühmten Weissenhofsiedlung in Stuttgart Räume ausstattete, war daneben ebenso wie der damalige Direktor Richard Woernle als Architekt tätig. Beide gehören in Westfalen zu den ersten Protagonisten des Neuen Bauens.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Textilbereich wieder stärkere Bedeutung. Seit 1950 leitete Thyra Hamann-Hartmann die Klasse für textile Flächenkunst und die neu begründete Modeklasse. Nachdem sie Assistentin bei dem Bauhausmeister Georg Muche in Krefeld gewesen war, machte sie sich als Textilkünstlerin mit ihren Tapisserien und Stoffentwürfen rasch einen Namen. Thyra Hamann-Hartmann wurde im Laufe ihres langen Schaffens mit vielen Preisen geehrt. Seit 1956 führte die Schule die Bezeichnung "Werkkunstschule". Noch immer stand die handwerkliche Ausrichtung im Mittelpunkt der Lehre, doch allmählich verschoben sich die Gewichte. Die Fotografie, seit 1960 von Gottfried Jäger als Fach aufgebaut, erhielt wachsende Bedeutung. Jäger prägte den Begriff der "Generativen Fotografie" und legte die Grundlage für die spätere "Bielefelder Schule der Fotografie".

1971 ging nach der Hochschulreform in Nordrhein-Westfalen die Werkkunstschule in einem neuen Fachbereich Design (seit 2002 Gestaltung) der Fachhochschule Bielefeld auf. Das Studienangebot konzentrierte sich nun auf die Fächer Visuelle Kommunikation, Fotografie und Mode. Die Ausstellung "Werkkunst. Kunst und Gestaltung in Bielefeld 1907 - 2007" gibt erstmals einen Überblick auf Geschichte und Leistung dieser bedeutenden Gestalterschule vom Jugendstil bis heute.

Informationen zur Ausstellung

Werkkunst. Kunst und Gestaltung in Bielefeld 1907-2007
14. Oktober 2007 bis 10. Februar 2008

Historisches Museum Bielefeld
Ravensberger Park 2, 33607 Bielefeld
fon +49 (0)521.51-3630 /51-3635
mail info@historisches-museum-bielefeld.de
web www.historisches-museum-bielefeld.de

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Freitag: 10:00 - 17:00 Uhr
Sonnabend und Sonntag: 11:00 - 18:00 Uhr
Montag und Dienstag geschlossen
24., 25. und 31.12. 2007 geschlossen

Öffentliche Führungen:
sonntags 11:30 Uhr
Gruppenführungen nach Anmeldung

Eintrittspreise:
4,50 Euro, versch. Ermäßigungen

Katalog:
Zur Ausstellung erscheint ein reich illustriertes Begleitbuch von etwa 350 Seiten
Preis: 49,90 Euro