Studierende des Campus Minden stellen beim Hamburger Architektursommer 2015 aus. Eröffnung am 4. Juni.
Minden (fhb). Eine undogmatische humorvolle Auseinandersetzung von Studierenden der Fachhochschule Bielefeld mit den Architekturikonen der Moderne. Mies van der Rohe, Walter Gropius, Le Corbusier: Diese und weitere Architekturikonen spielen die Hauptrolle in einer wohl einzigartigen Comic-Reihe, die beim diesjährigen Architektursommer in Hamburg ausgestellt wird. "Der Comic als Medium setzt voraus, das Zeichnen an sich wieder zu entdecken, um Inhalte in Wort und Bild auszudrücken", erklärt Professorin Rouli Lecatsa die Idee hinter dem ungewöhnlichen Projekt. Lecatsa lehrt Entwerfen und Freies Gestalten im Studiengang Architektur auf dem Campus Minden der Fachhochschule (FH) Bielefeld. "Die Zeichnungen erzählen erfundene Geschichten, die auf Fakten basieren, welche eingehend recherchiert wurden, um dann anekdotisch illustriert zu werden. Die meisten Arbeiten setzen sich mit der klassischen Moderne auseinander: Mit der Ideologie, den Bauten, den Hauptprotagonisten und ihren individuellen Schicksalen", so Lecatsa. Die Comics richten aber auch den Blick auf die zeitgenössische Architektur und hinterfragen renommierte Bauwerke, ihre funktionalen und ästhetischen Werte. Durch Zeitreisen gelingt es den Autoren, Gegenwart und Vergangenheit zu durchmischen. Fiktion und Fakten werden geschickt und phantasievoll kombiniert. Willkürliche Interpretationen und erfundene Ereignisse kommentieren unbefangen und anarchisch das Architekturgeschehen, seine Traditionen und Mythen.
Le Corbusier führt als Busfahrer "Meckermann Touristen" aus Deutschland an seinen Bauwerken vorbei und muss ihre lapidaren, laienhaften Kommentare über sich ergehen lassen. (Nicola Pinkvoß, Jannik Mecklenburg) Das berühmte Motto: "Less is More" beispielsweise soll hier die Erkenntnis Mies van der Rohes ausdrücken, die er nach seiner anstrengenden Zeitreise in die architektonische Gegenwart gewonnen hat. Unter anderem gerät er versehentlich in ein "futuristisches" Vogelnest von Herzog und de Meuron, unterhält sich mit Frank O. Gehry, der gerade auf einer Parkbank seine Schaffenskrise durchmacht und am Ende wird er von einer Gruppe asiatischer Kulturtouristen zum kuriosen Fotoobjekt erhoben. (Studierende: Tom Ohliger, Niklas Diekmann, Jeton Agushi) Bei anderen Autoren traut er sich sogar, für einen jungen, gelangweilten Öl-Scheich seine Bauten zu klonen. Aufträge solcher Dimensionen waren damals in Europa nicht möglich. Hierfür beschließt er, den Maßstab seiner Bauten in eine Gigadimension aufzublähen. Doch in gigantischer Form wirkt seine Architektur zu öde. Die jungen holländischen Architekten von MVRDV werden vom Scheich beauftragt, diese Bauten fröhlicher, gefälliger umzugestalten. (Christian Corral-Burau, Matthias Gebhardt) Der Comic mit dem Titel, "Der schlechte Geschmack, die Politik und Ich" begleitet Mies van der Rohe bei den wichtigen Stationen seines Schaffens. Das ironisch dramatische, fiktive Ende seines Lebens überzeugt davon, dass er auch nach seinem Tode seine maßlos überhebliche, kritische Haltung gegenüber seinen Zeitgenossen nicht ablegen will. (Doreenja Lauf, Lisa-Marie Lachnitt, Inken Schäckel) Auch die "Frau", ihre Rolle und Bedeutung als kreativ Schaffende in einer Männerdomäne wird durch biografische Anekdoten scharf gezeichnet. Das Werk Lilly Reichs, der ersten Frau im Vorstand des Werkbundes, welches eine spätere Anerkennung fand, wird gebührend herausgestellt. (Vanessa Müller, Anne Isaak, Christine Zukunft)
Die irische Designerin Eileen Gray stellen die Studentinnen Alina Kohn und Friederike Sujeba-Roesler in einem streng in Schwarz-Weiß, "la vie colorée", gehaltenen Ambiente in den nachgestellten Räumen ihrer Pariser Wohnung vor. Sie lebt in äußerster Konsequenz ihre strenge Ästhetik im persönlichen Alltag umgeben von ihren Objekten und ihrem Möbeldesign. Fixiert und nahezu besessen auf ihre Arbeit fristet sie ein menschenfernes, eher isoliertes Dasein. Die Ideologie des neuen Bauens wird durch Bauhausgründer und Lehrer, wie Walter Gropius und Johannes Itten, anhand ihrer kontroversen Positionen vorgeführt. (Aylin Taskaya, Ewa Pawlak, Kristine Degraf) Walter Gropius unterhält sich mit seinem personifizierten Gebäude, dem Fagus Werk, heute UNESCO Welterbe, über die Unannehmlichkeiten und die Missgunst, die es erleiden musste. Seine nüchterne, stahlglaskonstruktive Transparenz wollten die Zeitgenossen nicht widerstandslos akzeptieren. (Julian Wehrmann, David Fröse, Felix Bauch) Das abenteuerliche, bewegte persönliche Leben von Frank LIoyd Wright wird anekdotisch erzählt. Selbstbewusst, von seinem Talent überzeugt, führt er die "Genialität" seiner Architektur vor. (Lennart Tönjes, Natalie Böhmer, Katharina Tiemann) Oscar Niemeyer wird bei seinem atemlosen Entwurfskampf beschrieben, dem Zeitdruck seines Gouverneurs standzuhalten, als er die große Aufgabe bekommt, die Hauptstadt Brasilia zu erschaffen. (Byron Brown, Marcel Riesner) Die vorliegenden Arbeiten sind eine Auswahl der Ergebnisse eines Workshops, der im Wintersemester 2014/15 an der FH Bielefeld mit Architekturstudierenden im fünften Semester im Rahmen des Fachs "Freies Gestalten" durchgeführt wurde. Dabei ging es um die Erfahrung mit einer mehrschichtigen Gestaltung. Es wurden unter anderem "Drehbücher" (Szenen-Scripts) und zeichnerische Figuren erfunden und Kurztexte entwickelt. "Die eingehende Beschäftigung mit der Moderne, sowohl im Rückblick als auch im Anblick der heutigen Mainstream-Architektur der Hochglanzmagazine, war für die Studierenden sehr spannend und scheint immer wieder von Neuem elementar zu sein", fasst Professorin Lecatsa zusammen.
Ausstellung: 5. bis 30. Juni 2015 im Rahmen des Hamburger Architektursommers www.architektursommer.de Ort: Sautter + Lackmann, Fachbuchhandlung, Admiralitätsstraße 71-72, 20459 Hamburg www.sautter-lackmann.de Eröffnung: Donnerstag, 4. Juni 2015, 19 Uhr. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10-19 Uhr, Samstag 11-19 Uhr. Veranstalterin: Professorin Rouli Lecatsa, Bereich Architektur und Bauingenieurwesen, Campus Minden der Fachhochschule Bielefeld www.fh-bielefeld.de/fb2/comic