Fachhochschule Bielefeld untersucht Reinigungsleistung von Kleinkläranlagen im Kreis Minden-Lübbecke.
Minden (fhb). Der Frage, ob Medikamente und Haushaltsreiniger die wichtigen Reinigungsbakterien in Kläranlagen abtöten und somit Mensch und Umwelt gefährden, ist die Fachhochschule Bielefeld nachgegangen. Auf Initiative des Kreises Minden-Lübbecke hat der Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen am Campus Minden ein Forschungsprojekt zur Reinigungsleistung von Kleinkläranlagen durchgeführt. Der Leiter des Forschungsprojektes, Professor Dr.-Ing. Johannes Weinig, kann aufgrund der Forschungsergebnisse Entwarnung geben: Auf die Wartung kommt es an - denn Kleinkläranlagen zeigen die gleiche Reinigungsleistung wie große Anlagen. Bei beiden werden Medikamente leider nicht vollständig abgebaut und können in die Umwelt gelangen.
Im Mühlenkreis gibt es rund 5.000 Kleinkläranlagen - für die Größenordnung des Kreises mit gut 311.000 Einwohnern ist das relativ viel. Diese Art der Abwasserreinigung kommt überall dort zum Einsatz, wo Häuser, kleine Siedlungen oder Hotelanlagen nicht ans zentrale Kanalnetz angeschlossen sind. Eine dezentrale Kleinkläranlage ist deshalb eine kostengünstige und zuverlässige Möglichkeit, das Abwasser in ländlichen Regionen nach europäischen Richtlinien zu reinigen. Wartungsfirmen stellten bei vielen Kleinkläranlagen im Kreis allerdings überschrittene Abwassergrenzwerte fest. Für die Betreiber, in der Regel Privatleute, bedeutet das normalerweise das Betriebsverbot.
Es galt also einen Schuldigen zu finden: "In dieser Situation ist von den Betreibern darauf hingewiesen worden, dass jemand im Haus regelmäßig Medikamente einnimmt, oder dass in dem Haushalt oft und viel geputzt wird", erklärt Professor Dr. Weinig. Daraus resultierte der Forschungsauftrag des Kreises an die Fachhochschule Bielefeld. Zu untersuchen galt es, ob Medikamente und Tenside von den Reinigungsbakterien in den Kläranlagen nicht richtig abgebaut werden können und somit ungeklärt wieder im Wasser landen. Keine völlig abwegige Überlegung wenn man bedenkt, dass Arzneimittel und Reiniger dazu da sind, Bakterien und Krankheitserreger abzutöten.
Deshalb entwickelte Professor Weinig zusammen mit Studierenden am Campus Minden eine Testmethode, die anzeigt, welche Wirkung die Stoffe auf die Abbauwirkung im Wasser haben. Als Richtwert wurde der Sauerstoffverbrauch der Bakterien im Klärschlamm genommen. "Wird der Sauerstoff schnell verbraucht, geht es den Bakterien gut. Läuft das Ganze langsamer ab oder kommt ganz zum stehen, werden die Bakterien in ihrer Arbeit beeinträchtigt", sagt Professor Weinig. Für die Auswertung wurden deshalb die verordnungsstärksten Arzneimittelgruppen sowie die typischen Haushaltsreiniger aus den Bereichen Wäsche, Küche und Sanitär ausgewählt: Acetylsalicylsäure (Aspirin) und der Antibiotika-Wirkstoff Doxycyclin bei den Medikamenten sowie die Produkte Pril, Somat und Sagrotan bei den Tensiden.
In Diplom- und Bachelorarbeiten untersuchten die Studierenden im Labor jeweils Abwassermengen von einem Liter. Dazu versetzten sie Belebtschlammproben aus der kommunalen Kläranlage Hartum mit Medikamenten- und Tensidkonzentrationen in verschiedenen Mengen und bestimmten anschließend den Sauerstoffgehalt im Abwasser. Eine Probe ohne Wirkstoffzugabe wurde stets als Referenzprobe genutzt. Die Versuche mit den Arzneimitteln zeigen, dass es zu keinen signifikanten Veränderungen beim Sauerstoffverbrauch kommt. Erst bei unrealistisch hohen Konzentrationen, die dem 20-fachen der empfohlenen Tagesdosis von Aspirin und Antibiotika entsprechen, werden die Bakterien beeinträchtigt - der Sauerstoff wird nicht mehr abgebaut. Ähnlich sieht es bei den Versuchen mit Haushaltsreinigern aus. Auch hier verzögert sich der Sauerstoffabbau erst bei extrem hohen Dosen. Den Herstellerangaben nach soll Pril mit zwei Milliliter auf fünf Liter dosiert werden. Im Versuch hingegen wurde eine vierprozentige Pril-Konzentration auf einen Liter angewandt: Das ergibt das 100-fache der empfohlenen Konzentration.
"Fazit: Die Kleinkläranlagen sind funktionstüchtig", verdeutlicht Professor Weinig die Ergebnisse. Die überschrittenen Grenzwerte der Kleinkläranlagen könnten weniger auf Medikamente und Reiniger im Abwasser zurückgeführt werden, als auf das weiche Wasser im Mühlenkreis. Sind die Kleinkläranlagen nicht mit den richtigen Puffersystemen ausgestattet, könnte es zu diesen hohen Werten kommen. Für die Wartungsfirmen der Kleinkläranlagen hat die Untersuchung wichtige Informationen ans Tageslicht gebracht: Ohne sachgerechte und regelmäßige Wartung sind diese Anlagen nicht zu fahren.