24.10.2013

Anlocken und abtöten

„ATTRACT“-Projekt der FH Bielefeld forscht zu biologischem Pflanzenschutz. Erste Ergebnisse mit CO₂-Kapseln.

Bielefeld (fhb). Drahtwürmer, der Westliche Maiswurzelbohrer oder der Gefurchte Dickmaulrüssler - alle Larven dieser Insektenarten machen Kartoffel-, Mais- und Erdbeerpflanzen das Leben schwer. Sie fressen an den Wurzeln junger Nutzpflanzen und können für Landwirte erhebliche Ertragsverluste herbeiführen. So verursacht allein der Westliche Maiswurzelbohrer jährlich über 2,5 Milliarden US-Dollar Ernteverluste. Um diese Schädlinge unter Kontrolle zu bringen, arbeitet Promovend Pascal Humbert am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) der Fachhochschule Bielefeld an einem biologischen Pflanzenschutzmittel. Mit einer "Attract-and-Kill-Strategie", mit der die Larven von den Pflanzen abgelenkt und zu abtötenden Kapseln gelockt werden, versucht er gemeinsam mit Doktorandin Marina Vemmer und Professor Dr. Anant Patel, Leiter der Arbeitsgruppe, dem schwierigen Thema der Schädlingsbekämpfung Herr zu werden. Das kürzlich bewilligte Projekt wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) über drei Jahre gefördert und von der FH Bielefeld koordiniert.

Schädlingslarven im Boden mit chemischen Pflanzenschutzmitteln anzugehen, ist schwierig und meist aufwändiger als eine Blattbehandlung. Außerdem ist die Kontrolle mit Bodeninsektiziden innerhalb der Europäischen Union mit erheblichen Einschränkungen verbunden oder nur mit Ausnahmegenehmigungen möglich. Mit Kohlenstoffdioxid, Hefe, Nährstoffen und biologischen Insektiziden will das "ATTRACT"-Projekt der FH Bielefeld den Schädlingen jetzt zu Leibe rücken. "Die Larven werden normalerweise im Boden vom CO₂-Ausstoß der Pflanzen angelockt. Mit der Hefe imitieren wir den Ausstoß und locken die Larven so von den Wurzeln weg", erklärt Pascal Humbert. Die ersten Prototypen der knapp zwei Millimeter großen Kapseln sind bereits hergestellt und werden an den Insekten getestet. Das übernimmt die Universität Göttingen, die neben den beiden Unternehmen BIOCARE und Trifolio-M GmbH, beide aus dem Bereich des biologischen Pflanzenschutzes, mit im Boot ist.

Derzeit beschäftigt sich Pascal Humbert im FH-Labor mit der Auswahl von geeigneten Hefen und weiteren neuartigen CO₂-Quellen, Verkapselung und Trocknung der Hefe, um sie haltbar zu machen und dauerhaft lagern und ausbringen zu können. "Der Vorteil bei den Kapseln ist, dass die Aufwandmengen an biologischem Insektizid reduziert werden und die Larven direkt zum Wirkstoff kommen. Zudem wird durch die Verlangsamung der CO₂-Freisetzung der Wirkzeitraum auf vier bis sechs Wochen verlängert. Außerdem werden die biologischen Insektizide in Abhängigkeit von den Kapselmaterialeigenschaften im Boden gezielt freigesetzt", sagt Humbert.

Weil das "ATTRACT"-Projekt auf biologische Substanzen setzt und alle Bestandteile  vollständig biologisch abbaubar sind und es somit zu einer nachhaltigen Ernährungssicherung beiträgt, wird es vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert. Zu der Entwicklung der Kapseln sieht die Förderung großflächige Versuchsanwendungen vor. Zudem soll ein Businessplan zur industriellen Herstellung und zum Vertrieb aufgesetzt werden.

Professor Patel betont die Bedeutung des Projektes für die Lehre an der Fachhochschule, denn "es ist vorgesehen, dass in Verbindung mit dem Projekt mehrere Projekt- und Abschlussarbeiten von Studierenden durchgeführt werden". Zusätzlich werden die im Rahmen des Projektes angeschafften Gerätschaften in Laborpraktika der Verfahrenstechnikmodule eingesetzt. Wichtig sei die Einheit von Forschung und Lehre. Weiterhin geht Patel im Rahmen des "ATTRACT"-Projektes "von der einen oder anderen Veröffentlichung in peer-reviewed journals aus" und sieht das Projekt an sich als Basis für weitere vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BMELV) geförderte Projekte: "Das BMELV hat uns jetzt mit Sicherheit auf dem Schirm für weitere Forschungsprojekte."

Ein Video zum "ATTRACT"-Projekt finden Sie auf dem YouTube-Kanal der FH Bielefeld.