22.11.2006

27. Bielefelder Fotosymposium 2006

Fotografie im Diskurs performativer Kulturen.

Performativ ist eine Äußerung dann, wenn sie das, was sie bezeichnet selbst vollzieht, z. B. der Satz: "Ich grüße sie". Kann ein solches Verständnis auch für die Fotografie gelten in dem Sinne, dass der Akt des Fotografierens in das Foto eingeschrieben ist, welches dieser Akt als bewußte Setzung selbst hervorbringt ? Eine solche Setzung wäre etwa in einer Aufnahme gegenwärtig, die zwar einen erlebten Augenblick festhält, diesen zugleich mit einem bereits zuvor gebildeten oder übernommenen Vorsatz bezeichnet, auswählt und konfiguriert. Fotografie wäre demnach dann ein performatives Medium, wenn es Teil eines Gedankens darüber ist, was es als Bild hervorzubringen vermag. Erkennt man zudem diesen Gedanken als Teil eines kulturellen Prozesses, so gehört dieser jenen Diskursen an, die Leben als kulturell performativ betrachten, veränder- und konstruierbar. Entscheidungen innerhalb eines als ebenso voraussetzungslos wie authentisch empfundenen Ereignisses treten dahinter zurück.

Jacques Derrida zufolge kann eine kulturelle Performance auch gelingen, wenn es sich in medialen Äußerungen um das Wiederholen von kulturellen Mustern handelt, allerdings müßten sie als solche erkannt werden. Das wäre beispielsweise bei der Aufnahme von tradierten Gesten, Haltungen, Stimmungen und Zeichen auch für das Medium Fotografie gegeben, so die These, dann nämlich, wenn zwar Authentizität versprochen, jedoch ironische Brechung und Uminterpretation das Ergebnis ist. In solchen Fällen kann es zu einer potentiell endlosen Bedeutungsverschiebung auch in fotografisch hergestellten Bildern kommen. Performative Veränderung in eine z.B. fotografisch repräsentierte Geschlechterordnung einzubringen, wie es der Gender-Diskurs nahelegt, wäre ein Resultat, das Durchbrechen verfestigter kultureller Hierarchien ein anderes.

Auf dieser gedanklichen Ausgangsformation gilt es die Normen der Dokumentarfotografie ebenso zu befragen wie die Experimente im Fotolabor. Ferner stehen fotografische Lösungen auf dem Prüfstand, die Ihren Referenzpunkt in der Kunst gefunden haben sowie schließlich jene digitalen Konstruktionen, die allein durch ihre unendliche Wandelbarkeit jedes Bild als ein performatives generieren. Reaktionen darauf als Anregungspotential für die analoge Bildproduktion wären dann ebenfalls veränderte Zeichen einer dem fotografischen Augenblick und seiner Fixierung des Blickes sich entwindenden Beweglichkeit.

Das 27. Symposium des Forschungsschwerpunktes "Fotografie und Medien" am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld verfolgt mit seiner These zur Performativität der Fotografie über die inhaltliche Dimension hinaus das Ziel, Fotografie in einem sie verändernden Diskurs zu sehen. Seit ihrer Erfindung wird die Fotografie als wirkmächtiger Apparat der Bildgebung von Befragungen und Analysen begleitet bzw. in Relationen zu philosophischen oder medientheoretischen Positionierungen gedeutet. Neu an dem hier vertretenen Ansatz soll sein aufzuzeigen, dass die Diskurse über die Fotografie zunehmend Teil des Mediums selbst geworden sind, als nicht zu unterschätzende, neue Prozesse zur Bildfindung generierende Anregungspotentiale.

Martin Roman Deppner