Die Mitglieder des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) und Sprecher des Instituts für Technische Energie-Systeme (ITES) hatten eine Expertin und drei Experten aus Industrie, Forschung und Gesellschaft eingeladen, um über geeignete Wege zur Klimaneutralität im Verkehrssektor zu diskutieren. Die gut 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich zur Veranstaltung angemeldet hatten, waren per zoom zugeschaltet. „Es freut mich sehr, dass wir trotz aller pandemiebedingten Einschränkungen ein Format gefunden haben, um über das wichtige Thema alternativer Energieversorgung diskutieren zu können. Im Schwerpunkt nehmen wir bei der heutigen Veranstaltung Wasserstoff und E-Mobilität in den Blick“, eröffnete Professorin Eva Schwenzfeier-Hellkamp in ihrer Funktion als Sprecherin des ITES die Veranstaltung.
Um einen regen Austausch nicht nur unter den Podiumsgästen, sondern auch mit dem Publikum garantieren zu können, moderierte Prof. Thorsten Jungmann, Lehrender im Fachbereich IuM gekonnt das dynamische Veranstaltungsformat. Angelika Heinzel, Professorin für Energietechnik und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums für Brennstoffzelltechnik von der Universität Duisburg-Essen, eröffnete mit ihrem Eingangsstatement ohne Umschweife die Diskussion: „Der Anfang der Energiewende war nicht schwer – aber die CO2-Neutralität bis 2050 bei Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erreichen, das wird schwierig und wir sind spät dran.“ Im Stromsektor seien wir zwar weit gekommen, aber in den anderen Sektoren sei bisher zu wenig passiert, beispielsweise im Verkehr. Dort sollen 68 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 eingespart werden und das ausgehend von einer bisher nicht vorhandenen Einsparung, so ihre Einschätzung.
Einer, der im Bereich emissionsfreies Fahren seit Jahren aktiv ist, war Podiumsgast Jens Ohlemeyer. Neben seinem Hauptamt als Lehrer bringt er als Geschäftsführer der e-cross Germany Tour das Thema Nachhaltigkeit mit der jährlich durchgeführten Road Show sprichwörtlich auf die Straße. „Mir liegt dieses Thema besonders am Herzen. Die Mobilität der Zukunft muss emissionsfrei und erneuerbar sein“, forderte Ohlemeyer. Ob das batterieelektrisch oder mit Brennstoffzellen umgesetzt werde, sei für ihn sekundär. Seiner persönlichen Erfahrung nach werde sich die batterieelektrische Variante durchsetzen. Bei der Herstellung von Wasserstoff sei die Effizienz nicht vergleichbar. Potenziale für die Brennstoffzelle sehe er im Schwerlast- und im Schiffsbereich. Die e-cross Germany Tour habe schon vielen Skeptikern die Berüh-rungsangst vor der Elektromobilität genommen und er blicke zuversichtlich in die Zukunft.
Jens Haubrock, Professor im Fachbereich IuM und stellvertretender Sprecher des ITES, sprach in seinem Statement von der Wichtigkeit, die benötigte Fahrenergie aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen. Dazu müssten die regulatorischen Anforderungen genormt und geregelt werden. „Im ITES forschen wir derzeit verstärkt an der Integration der Elektromobilität in lokale Netzzellen“, so Haubrock weiter. Dar-über hinaus machte er auf die Problematik des Gleichzeitigkeitsfaktors in elektrischen Netzen aufmerksam, entscheidend sei die Frage, wann die Energie benötigt werde. Erzeugung und Verbrauch müssten in jedem Augenblick in Einklang gebracht werden. Mit einem regelfähigen Kraftwerk in der Hinterhand sei alles einfach. Die Elektroautos selbst müssten aber zukünftig zur Stabilisierung des Energienetzes beitragen, damit die Energiewende gelingen könne.
Unternehmer Christoph Hildebrand rundete die Bandbreite der Gesprächsteilnehmer mit seinem Blickwinkel als Industrievertreter ab. Hildebrand ist seit 2008 Geschäftsführer der Inhouse Engineering GmbH. Das Unternehmen entwickelt und baut seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich Brennstoffzellen für die Energieversorgung in Mehrfamilienhäusern oder Gewerbeobjekten. Im Jahr 2010 wurde das Unternehmen für hervorragende innovatorische Leistungen ausgezeichnet. „Der Sog aus China ist relativ groß. Globale Kooperation ist unvermeidbar und das ist auch in Ordnung, wenn beide Seiten profitieren können. Dennoch sollten wir unsere Unternehmen weiterhin konsequent ausbauen, damit das Know-how nicht abwandert. Die Brennstoffzelle wird kommen, die Frage ist nur woher“, so Hildebrand. Dass Wasserstoff in Klein- und Mittelständischen Unternehmen in der Breite diskutiert werde, sei relativ neu. „Mit Batterien können wir nicht alles lösen. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung betrifft auch uns. Wir rüsten unsere Technologien sukzessive um. Die politischen Rahmenbedingungen dafür sind Stand heute günstig“, schließt Hildebrand.
Ein nebeneinander bisheriger erneuerbarer Energien mit künftigen Alternativen sei realistisch. Die Brennstoffzelle sei damit ein Baustein von vielen. Entwicklungsarbeit sei, so waren sich alle einig, dauerhaft notwendig, insbesondere auch, weil Deutschland nicht energieautark sein könne. Eine Abwanderung der Industrie müsse verhindert werden. „In einer vom Wettbewerb geprägten Welt sind Neuerungen nicht einfach zu etablieren“, äußerte Heinzel. Hildebrand machte in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Wichtigkeit der gut ausgebildeten Fachkräfte aufmerksam.
Die Frage, ob es grüner werde oder nicht, konnte nach zweistündiger Diskussion nicht mit „ja“ oder „nein“, sondern wie folgt beantwortet werden: „Es gibt viele Blickrichtungen und Problematiken, diese müssen ständige Abwägung erfahren. Ziel muss ein Mix aus unterschiedlichen Energiequellen sein, die intelligent zusammenarbeiten um eine größtmögliche Nutzung erneuerbarer Energien zu erreichen“, finalisierte die Runde. Haubrock fand mit den Worten: „Ich freue mich sehr, dass ich Ingenieur bin und in diesem spannenden Bereich ausbilden darf“, einen schönen Abschluss der Podiumsdiskussion. Zum Ende der gelungenen Veranstaltung im Konferenzbereich der HSBI, machte ITES-Leiterin Eva Schwenzfeier-Hellkamp noch einmal auf die Vision des Instituts aufmerksam: „Mit interdisziplinärer Fachkompetenz sind wir Ihre Ansprechpartner für Energiethemen in unserer Region und über OWL hinaus. Oberstes Ziel bleibt die Forschung mit aktueller gesellschaftlicher und technischer Relevanz. Der Fokus liegt dabei stets auf unseren Kooperationspartnern. Sprechen Sie uns gerne an!“ (th)