Lambda-Ausdrücke und funktionale Interfaces

TL;DR

Mit einer anonymen inneren Klasse erstellt man gewissermaßen ein Objekt einer "Wegwerf"-Klasse: Man leitet on-the-fly von einem Interface ab oder erweitert eine Klasse und implementiert die benötigten Methoden und erzeugt von dieser Klasse sofort eine Instanz (Objekt). Diese neue Klasse ist im restlichen Code nicht sichtbar.

Anonyme innere Klassen sind beispielsweise in Swing recht nützlich, wenn man einer Komponente einen Listener mitgeben will: Hier erzeugt man eine anonyme innere Klasse basierend auf dem passenden Listener-Interface, implementiert die entsprechenden Methoden und übergibt das mit dieser Klasse erzeugte Objekt als neuen Listener der Swing-Komponente.

Mit Java 8 können unter gewissen Bedingungen diese anonymen inneren Klassen zu Lambda-Ausdrücken (und Methoden-Referenzen) vereinfacht werden. Dazu muss die anonyme innere Klasse ein sogenanntes funktionales Interface implementieren.

Funktionale Interfaces sind Interfaces mit genau einer abstrakten Methode. Es können beliebig viele Default-Methoden im Interface enthalten sein, und es können public sichtbare abstrakte Methoden von java.lang.Object geerbt/überschrieben werden.

Die Lambda-Ausdrücke entsprechen einer anonymen Methode: Die Parameter werden aufgelistet (in Klammern), und hinter einem Pfeil kommt entweder ein Ausdruck (Wert - gleichzeitig Rückgabewert des Lambda-Ausdrucks) oder beliebig viele Anweisungen (in geschweiften Klammern, mit Semikolon):

  • Form 1: (parameters) -> expression
  • Form 2: (parameters) -> { statements; }

Der Lambda-Ausdruck muss von der Signatur her genau der einen abstrakten Methode im unterliegenden funktionalen Interface entsprechen.

Lernziele
  • (K2) Funktionales Interfaces (Definition)
  • (K3) Einsatz innerer und anonymer Klassen
  • (K3) Erstellen eigener funktionaler Interfaces
  • (K3) Einsatz von Lambda-Ausdrücken

Problem: Sortieren einer Studi-Liste

List<Studi> sl = new ArrayList<>();

// Liste sortieren?
sl.sort(???);  // Parameter: java.util.Comparator<Studi>
public class MyCompare implements Comparator<Studi> {
    @Override  public int compare(Studi o1, Studi o2) {
        return o1.getCredits() - o2.getCredits();
    }
}
// Liste sortieren?
MyCompare mc = new MyCompare();
sl.sort(mc);

Da Comparator<T> ein Interface ist, muss man eine extra Klasse anlegen, die die abstrakte Methode aus dem Interface implementiert und ein Objekt von dieser Klasse erzeugen und dieses dann der sort()-Methode übergeben.

Die Klasse bekommt wie in Java üblich eine eigene Datei und ist damit in der Package-Struktur offen sichtbar und "verstopft" mir damit die Strukturen: Diese Klasse ist doch nur eine Hilfsklasse ... Noch schlimmer: Ich brauche einen Namen für diese Klasse!

Den ersten Punkt könnte man über verschachtelte Klassen lösen: Die Hilfsklasse wird innerhalb der Klasse definiert, die das Objekt benötigt. Für den zweiten Punkt brauchen wir mehr Anlauf ...

Erinnerung: Verschachtelte Klassen ("Nested Classes")

Man kann Klassen innerhalb von Klassen definieren: Verschachtelte Klassen.

  • Implizite Referenz auf Instanz der äußeren Klasse, Zugriff auf alle Elemente
  • Begriffe:
    • "normale" innere Klassen: "inner classes"
    • statische innere Klassen: "static nested classes"
  • Einsatzzweck:
    • Hilfsklassen: Zusätzliche Funktionalität kapseln; Nutzung nur in äußerer Klasse
    • Kapselung von Rückgabewerten

Sichtbarkeit: Wird u.U. von äußerer Klasse "überstimmt"

Innere Klassen ("Inner Classes")

  • Objekt der äußeren Klasse muss existieren
  • Innere Klasse ist normales Member der äußeren Klasse
  • Implizite Referenz auf Instanz äußerer Klasse
  • Zugriff auf alle Elemente der äußeren Klasse
  • Sonderfall: Definition innerhalb von Methoden ("local classes")
    • Nur innerhalb der Methode sichtbar
    • Kennt zusätzlich final Attribute der Methode

Beispiel:

public class Outer {
    ...
    private class Inner {
        ...
    }

    Outer.Inner inner = new Outer().new Inner();
}
Beispiel mit Iterator als innere Klasse: nested.StudiListNested

Statische innere Klassen ("Static Nested Classes")

  • Keine implizite Referenz auf Objekt
  • Nur Zugriff auf Klassenmethoden und -attribute

Beispiel:

class Outer {
    ...
    static class StaticNested {
        ...
    }
}

Outer.StaticNested nested = new Outer.StaticNested();

Lösung: Comparator als anonyme innere Klasse

List<Studi> sl = new ArrayList<>();

// Parametrisierung mit anonymer Klasse
sl.sort(
        new Comparator<Studi>() {
            @Override
            public int compare(Studi o1, Studi o2) {
                return o1.getCredits() - o2.getCredits();
            }
        });  // Semikolon nicht vergessen!!!

=> Instanz einer anonymen inneren Klasse, die das Interface Comparator<Studi> implementiert

  • Für spezielle, einmalige Aufgabe: nur eine Instanz möglich
  • Kein Name, kein Konstruktor, oft nur eine Methode
  • Müssen Interface implementieren oder andere Klasse erweitern
    • Achtung Schreibweise: ohne implements oder extends!
  • Konstruktor kann auch Parameter aufweisen
  • Zugriff auf alle Attribute der äußeren Klasse plus alle final lokalen Variablen
  • Nutzung typischerweise bei GUIs: Event-Handler etc.
Demo: nested.DemoAnonymousInnerClass

Vereinfachung mit Lambda-Ausdruck

List<Studi> sl = new ArrayList<>();

// Parametrisierung mit anonymer Klasse
sl.sort(
        new Comparator<Studi>() {
            @Override
            public int compare(Studi o1, Studi o2) {
                return o1.getCredits() - o2.getCredits();
            }
        });  // Semikolon nicht vergessen!!!


// Parametrisierung mit Lambda-Ausdruck
sl.sort( (Studi o1, Studi o2) -> o1.getCredits() - o2.getCredits() );

Anmerkung: Damit für den Parameter alternativ auch ein Lambda-Ausdruck verwendet werden kann, muss der erwartete Parameter vom Typ her ein "funktionales Interface" (s.u.) sein!

Demo: nested.DemoLambda

Syntax für Lambdas

(Studi o1, Studi o2)  ->  o1.getCredits() - o2.getCredits()

Ein Lambda-Ausdruck ist eine Funktion ohne Namen und besteht aus drei Teilen:

  1. Parameterliste (in runden Klammern),
  2. Pfeil
  3. Funktionskörper (rechte Seite)

Falls es genau einen Parameter gibt, können die runden Klammern um den Parameter entfallen.

Dabei kann der Funktionskörper aus einem Ausdruck ("expression") bestehen oder einer Menge von Anweisungen ("statements"), die dann in geschweifte Klammern eingeschlossen werden müssen (Block mit Anweisungen).

Der Wert des Ausdrucks ist zugleich der Rückgabewert des Lambda-Ausdrucks.

Varianten:

  • (parameters) -> expression

  • (parameters) -> { statements; }

Quiz: Welches sind keine gültigen Lambda-Ausdrücke?

  1. () -> {}
  2. () -> "wuppie"
  3. () -> { return "fluppie"; }
  4. (Integer i) -> return i + 42;
  5. (String s) -> { "foo"; }
  6. (String s) -> s.length()
  7. (Studi s) -> s.getCredits() > 300
  8. (List<Studi> sl) -> sl.isEmpty()
  9. (int x, int y) -> { System.out.println("Erg: "); System.out.println(x+y); }
  10. () -> new Studi()
  11. s -> s.getCps() > 100 && s.getCps() < 300
  12. s -> { return s.getCps() > 100 && s.getCps() < 300; }

Auflösung:

(4) und (5): return ist eine Anweisung, d.h. bei (4) fehlen die geschweiften Klammern. "foo" ist ein String und als solcher ein Ausdruck, d.h. hier sind die geschweiften Klammern zu viel (oder man ergänze den String mit einem return, also return "foo"; ...).

Definition "Funktionales Interface" ("functional interfaces")

@FunctionalInterface
public interface Wuppie<T> {
    int wuppie(T obj);
    boolean equals(Object obj);
    default int fluppie() { return 42; }
}

Wuppie<T> ist ein funktionales Interface ("functional interface") (seit Java 8)

  • Hat genau eine abstrakte Methode
  • Hat evtl. weitere Default-Methoden
  • Hat evtl. weitere abstrakte Methoden, die public Methoden von java.lang.Object überschreiben

Die Annotation @FunctionalInterface selbst ist nur für den Compiler: Falls das Interface kein funktionales Interface ist, würde er beim Vorhandensein dieser Annotation einen Fehler werfen. Oder anders herum: Allein durch das Annotieren mit @FunctionalInterface wird aus einem Interface noch kein funktionales Interface! Vergleichbar mit @Override ...

Während man für eine anonyme Klasse lediglich ein "normales" Interface (oder eine Klasse) benötigt, braucht man für Lambda-Ausdrücke zwingend ein passendes funktionales Interface!

Anmerkung: Es scheint keine einheitliche deutsche Übersetzung für den Begriff functional interface zu geben. Es wird häufig mit "funktionales Interface", manchmal aber auch mit "Funktionsinterface" übersetzt.

Das in den obigen Beispielen eingesetzte Interface java.util.Comparator<T> ist also ein funktionales Interface: Es hat nur eine eigene abstrakte Methode int compare(T o1, T o2);.

Im Package java.util.function sind einige wichtige funktionale Interfaces bereits vordefiniert, beispielsweise Predicate (Test, ob eine Bedingung erfüllt ist) und Function (verarbeite einen Wert und liefere einen passenden Ergebniswert). Diese kann man auch in eigenen Projekten nutzen!

Quiz: Welches ist kein funktionales Interface?

public interface Wuppie {
    int wuppie(int a);
}

public interface Fluppie extends Wuppie {
    int wuppie(double a);
}

public interface Foo {
}

public interface Bar extends Wuppie {
    default int bar() { return 42; }
}

Auflösung:

  • Wuppie hat genau eine abstrakte Methode => funktionales Interface
  • Fluppie hat zwei abstrakte Methoden => kein funktionales Interface
  • Foo hat gar keine abstrakte Methode => kein funktionales Interface
  • Bar hat genau eine abstrakte Methode (und eine Default-Methode) => funktionales Interface

Lambdas und funktionale Interfaces: Typprüfung

interface java.util.Comparator<T> {
    int compare(T o1, T o2);    // abstrakte Methode
}
// Verwendung ohne weitere Typinferenz
Comparator<Studi> c1 = (Studi o1, Studi o2) -> o1.getCredits() - o2.getCredits();

// Verwendung mit Typinferenz
Comparator<Studi> c2 = (o1, o2) -> o1.getCredits() - o2.getCredits();

Der Compiler prüft in etwa folgende Schritte, wenn er über einen Lambda-Ausdruck stolpert:

  1. In welchem Kontext habe ich den Lambda-Ausdruck gesehen?
  2. OK, der Zieltyp ist hier Comparator<Studi>.
  3. Wie lautet die eine abstrakte Methode im Comparator<T>-Interface?
  4. OK, das ist int compare(T o1, T o2);
  5. Da T hier an Studi gebunden ist, muss der Lambda-Ausdruck der Methode int compare(Studi o1, Studi o2); entsprechen: 2x Studi als Parameter und als Ergebnis ein int
  6. Ergebnis: a) Cool, passt zum Lambda-Ausdruck c1. Fertig. b) D.h. in c2 müssen o1 und o2 vom Typ Studi sein. Cool, passt zum Lambda-Ausdruck c2. Fertig.

Wrap-Up

  • Anonyme Klassen: "Wegwerf"-Innere Klassen

    • Müssen Interface implementieren oder Klasse erweitern
  • Java8: Lambda-Ausdrücke statt anonymer Klassen (funktionales Interface nötig)

    • Zwei mögliche Formen:
      • Form 1: (parameters) -> expression
      • Form 2: (parameters) -> { statements; }
    • Im jeweiligen Kontext muss ein funktionales Interface verwendet werden, d.h. ein Interface mit genau einer abstrakten Methode
    • Der Lambda-Ausdruck muss von der Signatur her dieser einen abstrakten Methode entsprechen
Challenges

Beispiel aus einem Code-Review im Dungeon-CampusMinden/Dungeon

Erklären Sie folgenden Code:

public interface IFightAI {
    void fight(Entity entity);
}

public class AIComponent extends Component {
    private final IFightAI fightAI;

    fightAI =
                entity1 -> {
                    System.out.println("TIME TO FIGHT!");
                    // todo replace with melee skill
                };
}

Sortieren mit Lambdas und funktionalen Interfaces

Betrachten Sie die Klasse Student.

  1. Definieren Sie eine Methode, die das Sortieren einer Student-Liste erlaubt. Übergeben Sie die Liste als Parameter.
  2. Schaffen Sie es, das Sortierkriterium ebenfalls als Parameter zu übergeben (als Lambda-Ausdruck)?
  3. Definieren Sie eine weitere Methode, die wieder eine Student-Liste als Parameter bekommt und liefern sie das erste Student-Objekt zurück, welches einer als Lambda-Ausdruck übergebenen Bedingung genügt.
  4. Definieren Sie noch eine Methode, die wieder eine Student-Liste als Parameter bekommt sowie einen Lambda-Ausdruck, welcher aus einem Student-Objekt ein Objekt eines anderen Typen T berechnet. Wenden Sie in der Methode den Lambda-Ausdruck auf jedes Objekt der Liste an und geben sie die resultierende neue Liste als Ergebnis zurück.

Verwenden Sie in dieser Aufgabe jeweils Lambda-Ausdrücke. Rufen Sie alle drei/vier Methoden an einem kleinen Beispiel auf.

Quellen
  • [Ullenboom2021] Java ist auch eine Insel
    Ullenboom, C., Rheinwerk-Verlag, 2021. ISBN 978-3-8362-8745-6.
    Kapitel 12: Lambda-Ausdrücke und funktionale Programmierung
  • [Urma2014] Java 8 in Action: Lambdas, Streams, and Functional-Style Programming
    Urma, R.-G. und Fusco, M. und Mycroft, A., Manning Publications, 2014. ISBN 978-1-6172-9199-9.
    Kapitel 3: Lambda Expressions, Kapitel 5: Working with streams