Sozialpädagogin Silke Hiltenkamp gründet Portal „Praveller“ für Persönlichkeitsentwicklung.
Bielefeld (fhb). Oft sind es Krisen im Leben, Zeiten, in denen es einem nicht gut geht, die einen veranlassen, sich mit sich selbst zu befassen. Auch Silke Hiltenkamp, Diplom-Sozialpädagogin und Absolventin der Fachhochschule Bielefeld, ging es nicht gut, als sie vor etwa vier Jahren im Internet nach Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung recherchierte. Irgendwann gab sie das Wort „Glück“ bei Google ein und stieß auf einen Podcast, der ihr die Augen öffnete.
„Die Folge hieß ‚Glücklichsein lernen‘“, erinnert sich Silke Hiltenkamp. „Ich habe damals erkannt, dass ich viel mehr in meinem Leben bewusst steuern kann, als ich vorher dachte.“ Nach und nach nahm sie an Kursen teil und verschlang Bücher, Podcasts und Blogs über Selbstverwirklichung, Beziehungsfragen, Spiritualität, aber auch über Gesundheit, Finanzen und Karriere. „Ich dachte, ich sei als ausgebildete Erzieherin und Sozialpädagogin ein reflektierter Menschenkenner. Doch je weiter ich in diese Nische der Persönlichkeitsentwicklung eintauchte und dabei viel ich über mich lernte, desto mehr habe ich begonnen mein Leben aufzuräumen.“
Die Idee für „Praveller“ entsteht
Viel Zeit ging dabei für die Recherche nach Kursen drauf. „Warum gibt es nicht sowas wie ‚Booking.com‘ für Persönlichkeitsreisen?“ fragte sich Hiltenkamp eines Tages und beschloss kurz darauf: „Wenn es das noch nicht gibt, dann mache ich das eben selbst!“ Die Idee für ihr Start-up war geboren: ein Portal, das einen Überblick über Seminare für Persönlichkeitsentwicklung bietet. Doch wie geht man das an? „Ich bin in einer Facebook-Gruppe für Selbstständigkeit im Nebenerwerb auf eine Frau gestoßen, die schon länger ihr eigenes Unternehmen führt. Sie hat mir bei meiner Website geholfen und viele Tipps gegeben. Wir sind inzwischen gut befreundet und tauschen uns weiterhin aus.“
Ein Name für das Unternehmen musste auch noch gefunden werden. Hiltenkamp: „Es war gar nicht so einfach, einen Namen zu finden, der noch nicht vergeben war und für den auch die Domain der Website verfügbar war.“ Das Ergebnis: Aus einem „P“ für Persönlichkeitsentwicklung oder Personality und dem englischen Reisenden ‚Traveller‘ entstand ‚Praveller‘.
Dank Coaching durchs CFE Fahrt aufgenommen
„Dann war ich an einem Punkt, an dem ich merkte: Eigentlich bräuchte ich ein Coaching. Doch Coaching ist teuer, und ich wusste nicht recht, wie ich vorgehen sollte“, erinnert sich Hiltenkamp. Durch Zufall erfuhr sie vom Campus OWL-Projekt Innovationslabor OWL, dessen Arbeit heute vom Center for Entrepreneurship (CFE) der FH Bielefeld weitergeführt wird. Das CFE unterstützt Studierende und Alumni der FH Bielefeld bei der Unternehmensgründung. Hiltenkamp bewarb sich und wurde angenommen. „Ich sehe es als großes Geschenk, dass ich an dem einjährigen Coachingprogramm teilnehmen konnte.“ Der Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern war ihr dabei genauso wichtig wie die enge fachliche Begleitung beim Business Planning. „In meinem privaten Umfeld sind sonst alle in einem Angestelltenverhältnis. Da hat man wenig Schnittmengen, wenn man über den Beruf spricht.“
Der Sprung in die Selbstständigkeit
Das Coaching war für die Sozialpädagogin eine weitere Erfahrung, die zu einer gravierenden Entscheidung führte: Sie kündigte ihren sicheren Job als ambulante Familienhilfe, um sich auf ihr Portal für Persönlichkeitsreisen zu konzentrieren. „Ich habe damals sehr viel Energie in die Arbeit mit den Familien gesteckt, und ich bin stolz auf viele Familien und Kinder, die aus ihren Erfahrungen gelernt und ihr Leben in den Griff bekommen haben. Wenn in den Familien die Fähigkeit zur Reflektion und der Wille zur Veränderung allerdings zu gering ausgeprägt sind, investiert man viel Energie und kommt abends total ausgelaugt nach Hause. Das wollte ich nicht mehr.“
Ihren Lebensunterhalt bestritt Silke Hiltenkamp nach der Kündigung aus Ersparnissen, einem Nebenjob in einem Pflegeheim und einer weiteren befristeten Teilzeitstelle. „Ich dachte damals, dass ich schnell durchstarten kann, das war sicher etwas blauäugig“, erinnert sie sich. Als dann Corona und Social Distancing Einzug hielten, wurden zunächst alle Kurse abgesagt – das Fundament ihrer Geschäftsidee drohte zu zerbrechen.
Nach einem kurzen Schock stellte Hiltenkamp ihr Portal auf Onlinekurse um. „Ich habe inzwischen selbst schon an vielen Onlineseminaren teilgenommen, und es funktioniert überraschend gut. Ich sehe darin auch eine Chance und gehe davon aus, dass ich in Zukunft sowohl Präsenz- als auch Onlineseminare weiterempfehlen werde. Ein breiteres Angebot schadet sicher nicht.“ Denn bis sie von den sogenannten Affiliate-Einnahmen für die Weiterempfehlung von Kursen über ihr Portal leben kann, ist es noch ein weiter Weg.
Persönlichkeitsentwicklung für Kinder
Silke Hiltenkamp möchte sich nun auch einer weiteren Herzensangelegenheit widmen: „Persönlichkeitsentwicklung sollte schon bei Schulkindern anfangen.“ Aus eigener Erfahrung als Familienhilfe weiß sie, wie wertvoll eine Unterstützung der Kinder sein kann. So hat sie noch heute Kontakt zu einer jungen Frau, die sie als Familienhilfe betreut hat und die als Kind sehr unter den psychischen Krankheitssymptomen ihrer Mutter gelitten hat. „Ich konnte ihr vermitteln, dass sie nicht schuld daran ist, dass es ihrer Mutter nicht gut geht und sie sie deshalb schlecht behandelt. Sie konnte sich von ihren Schuldgefühlen befreien.“
Das Mädchen habe sie mal gefragt: „Was ist mit all den Kindern, denen keiner hilft, so wie du mir geholfen hast?“ Hiltenkamp: „Da hat es bei mir Klick gemacht. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dass Kinder zu starken Persönlichkeiten werden, um durchs Leben zu kommen. Das soziale Umfeld, Mobbing, Digitale Medien und jetzt das Social Distancing machen was mit den Kindern. Viele gehen mit Bauchschmerzen in die Schule, ohne zu verstehen warum.“ Chancen, entsprechende Angebote in den Schulen einzubringen, sieht sie im Nachmittagsbereich des offenen Ganztags. „Wenn eine Grundschule beispielsweise alle drei Jahre das Thema Mobbing in der Projektwoche aufgreift, könnten alle Kinder davon profitieren.“
Doch wie geht man so eine Aufgabe an? „Ich kann momentan nur in kleinen Schritten planen und meine Ideen wie ein positives Schneeballsystem über mein Netzwerk weitergeben. Und ich kann mir vorstellen, auch selbst an einer Schule Projekte durchzuführen.“ Einen ersten Schritt hat Silke Hiltenkamp gemacht: Sie arbeitet nun in Teilzeit in einer Bielefelder Grundschule und bietet dort eine Glücks-AG an. (vku)
Das CFE ist eine hochschulweite Anlaufstelle für alle Gründungsinteressierten der FH Bielefeld, die in allen Phasen der Unternehmensgründung aktiv unterstützt.